MZ-Artikel in dem Regional-Teil des Elbe-Kurie (Wittenberg, Gräfenhainichen, Jessen) vom 31.07.09

Heimbewohner wollen mehr Respekt
DEMONSTRATION - Ausländische Familien und Flüchtlingsinitiativen ziehen zur Kreisverwaltung,
um die Schließung der Möhlauer Unterkunft zu fordern.

von Markus Wagner

"Wir brauchen Freiheit, Respekt, Zukunft", ruft Salomon Wantchoucou ins Mikrofon. Was der Sprecher der Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Möhlau damit meint, ist auch klar: Das Lager in Möhlau müsse geschlossen werden. Rund 150 Menschen - viele davon aus dem Möhlauer Heim selbst - haben gestern in Wittenberg dafür demonstriert, in Zukunft dezentral untergebracht zu werden.

"Das Möhlauer Lager muss weg", lässt Komi E. immer wieder skandieren. Mehr will der Vizepräsident der Berliner Initiative Togo Action Plus, die den Marsch vom Bahnhof zur Kreisverwaltung und auf den Marktplatz organisiert hat, von seinem Namen nicht preisgeben. Möhlau sei bekannt für Repressionen gegen die Flüchtlinge. Das Lager stehe für Isolation und sei menschenunwürdig.

So fühlen sich ganz offensichtlich auch die Heimbewohner selbst. 14 Jahre lebt Jonky Dilda aus Syrien dort. Sein Asylantrag ist abgelehnt - so wie der von den meisten Heimbewohnern in Möhlau. "Hier ist das Leben perspektivlos", klagt er. Erwachsene und Kinder, von denen einige mitdemonstrieren, trügen in der Umgebung psychische Schäden davon. Nezhedt Sefay lebt seit 2000 in Möhlau, fünf seiner acht Kinder sind hier geboren. Mehrmals hätte er schon Arbeit bekommen, aber nie eine Erlaubnis der Behörde. "Wir brauchen eine Arbeitserlaubnis", sagt er. Nun soll er bis zum 24. August ausreisen. Die Wittenberger Ausländerbehörde, da sind sich die Demonstranten einig, sei "sehr streng". Mira Kurtesi droht seit zehn Jahren die Abschiebung, ihr Cousin dagegen, der in Dessau lebt, habe nach wenigen Jahren eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Eine besondere Strenge kann Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) allerdings nicht ausmachen. "Jeder hat sich an Gesetze zu halten, auch in Wittenberg", sagt er. Bauliche Probleme in Möhlau räumt er schon im Vorfeld der Demonstration ein, demnächst werde er sich mit dem Vermieter dazu treffen.

Doch das wollen die Demonstranten gar nicht. "Zu einer Sanierung sagen wir nein danke", ruft Freddy Friedrich aus Halle. "No Lager" heißt die Initiative, für die er spricht. Er "plädiert für eine Komplettschließung und nicht fürs Aufpeppen." Zumal die isolierte Lage so ihre Probleme hat. Die Heimbewohner beklagen, nur 20 Euro Taschengeld bar in die Hand zu bekommen. Der Rest werde als Gutschein ausgegeben, der aber nur in drei Supermarktketten einzulösen sei. "20 Kilometer nach Dessau, zehn Kilometer nach Gräfenhainichen und kein Bus", klagt einer der Bewohner.

Damit wird er wohl noch weiter leben müssen. "Wir haben einen längerfristigen Vertrag in Möhlau, an den auch Finanzen gebunden sind", sagt Landrat Dannenberg. Man könne also nicht sagen, in der nächsten Woche werde sich etwas ändern. Zumal der Kreistag 1999 die Unterbringung in Möhlau beschlossen habe. "Und einen neueren Beschluss gibt es nicht."

Für den wollen die Initiativen, die gestern mit den Möhlauer Bewohnern demonstriert haben, sorgen. Zwar hatten Ordnungsamtsleiter Uwe Lesch und Rolf Häuser als Vertreter des Landrates versucht, mit den Demonstranten zu diskutieren, am Ende hatte Komi E. das aber abgebrochen: "Wir sind nicht hier für Diskussionen", ruft er ins Megaphon, "die Leute wollen dort nicht mehr sein. Punkt."

Den hatte kurz zuvor auch die Polizei gesetzt. Nachdem die Demonstranten entgegen der Auflagen ins Foyer der Kreisverwaltung vorgedrungen waren, zog Bereitschaftspolizei auf. Wirklich eingreifen musste sie nicht, hektisch ging's für kurze Zeit dennoch zu.

Draußen gibt es dann deutliche Worte. Die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, Fanny-Michaela Reisin, spricht sie: "Dass die Bewohner im Wald größere Angst vor Menschen als vor Tieren haben, das wird ein Ende haben." Frau Reisin sieht in Lagern wie Möhlau "eine staatlich gewollte Ausgrenzung von Flüchtenden". So sieht das wohl auch Christoph Erdmenger. "Ich glaube, dass man Gäste nicht so behandeln kann", sagt der Landesvorsitzende der Grünen. Die Vorgehensweise der Behörden sei "in der Logik des Verfahrens nachvollziehbar". Allerdings lasse sie zweierlei außer Sicht: Die Asylverfahren dauerten viel zu lange, was zu unwürdig langen Aufenthalten in den Heimen führe. Zudem gehe das Asylrecht davon aus, dass man diese Menschen in Deutschland nicht brauche. Das Gegenteil sei der Fall. Trotzdem bekamen die Demonstranten ein "Raus aus Wittenberg" zu hören. Ein Taxifahrer hat's gebrüllt, nachdem er das Transparent der Antifa aus Burg gelesen hatte: "Deutschland zu Fall bringen", so lautete der Schriftzug, der die meiste Aufmerksamkeit am Straßenrand fand.

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