Landtag von Sachsen-Anhalt, 12.01.2005
"Tod eines Asylbewerbers"
Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung, Drucksache 4/1988

Kleine Anfrage ( KA 4/6866) des Abgeordneten Matthias Gärtner (PDS)

Wortlaut der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung

Der Ausschuss für Inneres hat sich mit dem Tod des Asylbewerbers W. [John Williams] beschäftigt. Dabei blieben Fragen offen.

Ich frage die Landesregierung:

* Wie konnte es geschehen, dass trotz der „intensiven sozialen Betreuung“ die lebensgefährliche Erkrankung von Herrn W. offensichtlich nicht erkannt wurde? Wurden alle notwendigen medizinischen Maßnahmen ergriffen, um das Leben von Herrn W. zu retten, und vor allem wurde die medizinische Versorgung rechtzeitig gewährt?
* Warum wurde der Tod von Herrn W. mindestens drei Monate lang verschwiegen?
* Wie ist der Umgang mit der Post, die für die Menschen, die in der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht wurden, bestimmt ist, geregelt? Gilt auch für sie das Post- und Briefgeheimnis?
* Was geschah mit dem persönlichen Eigentum von Herrn W.? Wurde versucht, sich mit Angehörigen von Herrn W. in Verbindung zu setzen? * Wie wurde Herr W. bestattet?

Antwort der Landesregierung, erstellt vom Ministerium des Innern

Vorbemerkung:
Die Anfrage bezieht sich auf einen vorübergehend in der Ausreiseeinrichtung (auf dem Gelände der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt) untergebrachten vollziehbar ausreisepflichtigen Asylbewerber ungeklärter Staatsangehörigkeit. Der Betroffene war eigenen Angaben zufolge sudanesischer Staatsangehöriger. Die sudanesische Botschaft bestätigte dies im Rahmen einer Vorführung jedoch nicht und wies auf eine mögliche nigerianische Staatsangehörigkeit hin. Ein Sprachgutachten führte zu dem Ergebnis, dass er entweder die nigerianische oder die ghanaische Staatsangehörigkeit besaß.

Die endgültige Klärung seiner Staatsangehörigkeit und damit auch seiner Identität scheiterte aber, da er sich weigerte, an der Pass-Ersatz-Beschaffung mitzuwirken.

Der Betroffene starb am 4. April 2004 an einer während der Aufenthaltszeit in der Ausreiseeinrichtung festgestellten Erkrankung.

Zu 1:
Nach Wohnsitznahme in der Ausreiseeinrichtung befand sich der Betroffene mehrfach in hausärztlicher Behandlung. Während seines Aufenthalts wurde er wegen Rückenschmerzen, einer Zerrung und einer Augenerkrankung ärztlich behandelt. In diesem Zusammenhang sind keine ernsthaften Anzeichen für eine schwere Erkrankung festgestellt worden.

Erst Ende Dezember 2003 zeigten sich erste Symptome von Vergesslichkeit und Gewichtsabnahme, die den zuständigen Sozialarbeiter veranlassten, die Krankenschwester der Einrichtung zu unterrichten. Diese leitete die ärztliche Versorgung und Betreuung ein.

Nach verschiedenen, zum Teil durch den Betroffenen verweigerten, weitergehenden Untersuchungen im Kreiskrankenhaus Halberstadt erfolgte im Januar 2004 die Einweisung in die Neurologische Abteilung des Harzklinikums Blankenburg und von dort die Verlegung in das Harzklinikum Wernigerode. Hier wurde eine „Sarkoidose“ (entzündliche Erkrankung) mit Primärbefall des Gehirns diagnostiziert, was zu einer Verlegung in die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg führte. Als Pflegefall im Betreuungszentrum Kloster-Meyendorf verstarb er am 4. April 2004.

Bei dem Sozialarbeiter der Ausreiseeinrichtung handelt es sich um einen berufs- und lebenserfahrenen Mitarbeiter, der seine Betreuungsarbeit mit der nötigen Umsicht und dem erforderlichen Einfühlungsvermögen erledigt.

Inwieweit alle notwendigen medizinischen Maßnahmen ergriffen wurden, um das Leben des Betroffenen zu retten, kann nur aus medizinisch-fachlicher Sicht beurteilt werden. Zumindest wurden alle ärztlich indizierten Maßnahmen durch das zuständige Sozialamt des Landkreises Anhalt-Zerbst anerkannt und es erfolgte jeweils unverzüglich eine Zusage der Kostenübernahme, sodass eine Umsetzung der Maßnahmen auch erfolgen konnte.

Zu 2:
Der Tod wurde nicht verschwiegen.

Zu 3:
Einschränkende Regelungen für den Umgang mit der Post der in der Zentralen Ausreiseeinrichtung untergebrachten Personen bestehen nicht. Auch für sie gilt das Post- und Briefgeheimnis.

Zu 4:
Das persönliche Eigentum bestand aus Bekleidungsstücken. Unbrauchbare Bekleidungsstücke wurden entsorgt, verwertbare Bekleidungsstücke der Kleiderkammer in Halberstadt übergeben. Schriftstücke (anwaltlicher Schriftverkehr) wurden vom Sozialarbeiter der Ausreiseeinrichtung in Verwahrung genommen. Weitere persönliche Gegenstände waren nicht vorhanden.

Da Identität und Staatsangehörigkeit des Betroffenen nicht geklärt werden konnten, fehlten wesentliche Ansatzpunkte, um Angehörige zu ermitteln.

Zu 5:
Er wurde am 3. Mai 2004 in einer Urnengemeinschaftsanlage des Friedhofs Klein Wanzleben beigesetzt.

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