08.12.2003
Weiße Folter in Sachsen-Anhalt
In diesem Monat wird über die Weiterführung des sogenannten Modellprojektes"Ausreisezentrum"Halberstadt durch das Innenministerium in Sachsen/Anhalt entschieden.
"...Ziel der an humanitären Grundsätzen ausgerichteten Ausländerpolitik ist es daher, allen Ausländern ein Leben frei von Angst und Diskriminierung zu gewährleisten." (1) Das kann mensch auf der Homepage des Innenminister des Landes Sachsen /Anhalts lesen.
Bei einem AusländerInnenanteil von 1,8% an der Gesamtbevölkerung in diesem Bundesland scheinen dies entweder die AusländerInnen oder die Sachsen/AnhaltInerInnen nicht recht verstanden zu haben.
"Um uns darüber hinaus auch weiterhin als ein in echten Notfällen hilfsbereites Land betätigen zu können, ist es jedoch erforderlich, konsequent alle Möglichkeiten zur Rückführung ausreisepflichtiger ausländischer Staatsangehöriger auszuschöpfen." (2) Womit wieder einmal alles geklärt wäre. Um der einheimischen Bevölkerung die Tatsache, das sich auch in ihr Land hin und wieder ein ausländischer Mensch verirrt, einigermaßen erträglich zu machen, muß die Anzahl der hier lebenden AusländerInnen auf ein Minimum begrenzt werden. Deshalb gehörte auch Sachsen/Anhalt zu den Bundesländern, die im Rahmen der Diskussion um ein Zuwanderungsgesetz, im Januar 02 ein „Ausreisezentrum“ in der ZAST Halberstadt einrichteten. Dies geschah unter einem sozialdemokratischen Innenminister, Herrn Püchel.
Vor diesem Hintergrund wurde - zusätzlich zu den sog. Sammelvorführungen bei den Botschaften - im Rahmen eines Modellprojektes eine Zentrale Ausreiseeinrichtung für ausreisepflichtige Ausländer konzipiert. Bei dem betroffenen Personenkreis handelt es sich zumeist um abgelehnte Asylbewerber, die ihrer Mitwirkungspflicht bei der Passersatzbeschaffung nicht nachkommen und sich somit pflichtwidrig weigern, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Durch eine intensive soziale und ausländerrechtliche Betreuung und Beratung sowie die ständige unmittelbare Erreichbarkeit der Ausländer soll die Bereitschaft zur Mitwirkung gefördert und gestärkt und letztlich die Ausreise dieser Personengruppe mit Nachdruck betrieben werden. (3)
Die Kriterien, nach denen Flüchtlinge in das „Ausreisezenrtum“ eingewiesen werden sind hochgradig subjektiv, schon der Begriff der Mitwirkungspflicht ist soweit dehnbar, das er nur der Willkür der Ausländerbehörde dient. Nehmen wir den Fall von M.D (Name der Redaktion bekannt). Er lebte unweit in einem kleinen Städtchen von Halberstadt, hatte eine feste Arbeitsstelle, gemeinsam mit einer ehemaligen Lebensgefährtin besitz er das gemeinsame Sorgerecht für einen Sohn, für den er regelmäßig Unterhalt bezahlte und den er regelmäßig besuchte. Das war für die Ausländerbehörde in Wernigerode wohl ein zuviel an Integration und sie wies M.D. unter dem Vorwand der fehlenden Mitwirkungspflicht in das Ausreisezentrum ein. Die Folgen waren der Entzug der Arbeitserlaubnis, die Begrenzung seines Aufentaltes auf die Stadt Halberstadt, die „ intensive soziale und ausländerrechtliche Betreuung und Beratung“besteht darin, das ihm jedes Bargeld entzogen wird, also auch das bischen Taschengeld was den anderen Flüchtlingen noch gewährt wird. Die Aufenthaltsgenehmigung wird immer nur für zwei Tage gewährt und sämtliche persönliche Dokumente wurden eingezogen und durch einen „Heimausweis“, das blaue Papier“ersetzt.
Es gibt Menschen im Ausreisezentrum, die bereits zwei Jahre unter diesen Bedingungen leben. Die fast tägliche Meldung bei der Ausländerbehörde, das Fehlen jeglicher finanzieller Mittel, das vor Ort vermittelte „Du bist hier nicht willkommen“ und die strikte Begrenzung auf die Stadt Halberstadt führen zur Isolation der Flüchtlinge inmitten aller Öffentlichkeit. Die Folgen sind Apathie, Depressionen bis hin zu körperlichen Leiden. Die notwendige medizinische Versorgung wird auf ein Minimum reduziert.
E.O.A leidet unter chronischen Kopfschmerzen. Die ärztliche Untersuchung in Halberstadt ergab, das er entweder eine Brille oder eine Therapie benötigen würde. Die Ursachen könnten entweder physiologischer Natur (Brille) oder aber psychosomatisch bedingt sein (Therapie). Das Sozialamt der Stadt Halberstadt weigert sich in beiden Fällen, die Kosten zu übernehmen, so dass E.O.A ohne medizinische Behandlung bleibt. Hinzu kommen die Belastungen durch die Ihn umgebende Lebenswelt. Die verschiedenen Lebensrhythmen der Flüchtlinge und der pschychologische Druck bewirken, das es in dem „Ausreisezentrum“ keine Ruhephasen gibt.
Noch schlimmer ergeht es K. aus Sierra Lione. Herr K. hat das Problem, das seine Beine verschiedene Längen haben. Dies müsste durch ein orthopädisches Schuhwerk ausgeglichen werden. Aber auch in diesem Fall weigert sich das Sozialamt die Kosten zu übernehmen. Dadurch bedingt kann Herr K. sich nur hinkend und unter Schmerzen bewegen. Die Folge sind ständige Schwellungen des Fußes. Die medizinische Behandlung besteht in der Verabreichung von Salben durch die zuständige Krankenschwester. Das Zimmer von K. befindet sich im vierten Stock. Hinzu kommt das alle Betten in dem Ausreisezentrum noch aus alten NVA Beständen stammen und sie somit keinerlei Ansprüchen an einer gesunden Körperhaltung entsprechen.
Die größten Probleme ergeben sich aber auf Grund der Infragestellung der Identität der Flüchtlinge. Die Definitionsmacht liegt eindeutig bei der Ausländerbehörde, die damit auch entscheidet, in welches Land der Flüchtling abgeschoben werden soll. Rechtliche Mittel um sich zu verteidigen zu können, stehen dem Flüchtling nicht zur Verfügung, womit in Wirklichkeit die Ausreisezentren „rechtfreie Räume“sind, in denen die Behörden walten und schalten können, so wie sie es wollen. Besucht wurde das Ausreisezentrum schon oft, versprochen wurde viel und gehalten wurde nichts. Die Flüchtlinge bleiben in Ihrem Widerstand isoliert und umgeben von Behörden, in denen der Rassismus Amtsprache ist.
M.D. wurde 2002 in das Ausreisezentrum eingewiesen. Im September diesen Jahres bekam er von der Beamtin der Ausländerbehörde in Wernigerode, Frau Münzberg, die gleiche Beamtin, die für seine Einweisung zuständig war, ein Schreiben, in dem Ihm vorgeworfen wurde, das er seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinem Sohn nicht nachkomme und ihn auch nicht besuchen würde, um abschließend festzustellen“das es sich hier nur um eine Begegnungsgesellschaft handelt, die dem Wohl des Kindes nicht schadet, wenn sie nicht mehr existent ist.“ Der Leiter des Ordnungsamtes des Landkreise Halberstadt, Herr Dhemant, meinte eine Demonstration an der auch Flüchtlinge teilnahmen, sinngemäß kommentieren zu müssen, das Flüchtlinge keinerlei Probleme hätten, in der ZASt wie Schweine hausen würden und ausschließlich geldgierig seien. "Meine Skepsis bleibt. Ausreise oder Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern sind von der Natur der Sache her eine sehr konfliktreiche Angelegenheit. Dafür sind die Interessen einfach zu gegensätzlich. Meines Erachtens sind die dezentralen örtlichen Strukturen viel besser geeignet, Rückkehrhindernisse aus dem Weg zu räumen.", so der damalige Ausländerbeauftragte Piening, am 20.02.02. (4) Dieser Satz sagt so ziemlich alles über die Qualität des bürgerlichen Widerstandes.
Durch das Innenministerium wurde in einem weiteren Erlass die Bedingungen in dem Ausreisezentren verschärft. . „Da an der Grundidee der Betreibung einer Ausreiseeinrichtung festgehalten werden soll, sind Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität des vorläufigen Modellprojekts zu treffen“(5)heißt es in dem Schreiben. So sollen zukünftig auch kinderlose Ehepaare in das Ausreisezentrum eingewiesen werden können. Die Quintessens des Erlasses besteht darin, das zum Einen das Ausreisezentrum weiter fortgeführt werden soll und zum anderen alle Maßnahmen zur „Sanktionierung“ genutzt werden sollen, um die Flüchtlinge zur Ausreise zu zwingen. Zur »Durchsetzung nachhaltiger Anwesenheit« sollten unter anderem »Urlaubsanträge restriktiv gehandhabt werden«. (5)
Strategisch bedeutet dies, das die ZAST von einen Ort der Aufnahme in einen Ort der Abschiebung umgewandelt werden soll. Auch in Sachsen/Anhalt lässt sich die, bewußt in Kauf genommene, Illegalisierung der Flüchtlinge nachweisen. Von den 78 eingewiesenen Menschen entzogen sich 35 durch Flucht der weiteren Reppression.
Die Extremisten der demokratischen Mitte, einschließlich der Partei des demokratischen Sozialismus, schweigen beharrlich. Ein offener Brief der Flüchtlinge in dem sie unter anderem formulierten „Wir werden schlimmer als Kriminelle behandelt. Wir sind einzig und allein nach Deutschland gekommen, um unser Leben zu retten und nicht, um es weiteren Repressionen auszusetzen. Wir möchten nicht als psychisch kranke Menschen in unsere verschiedenen Länder zurückkehren in einem Zustand, der schlimmer ist als vor unserer Einreise nach Deutschland. Während andere einen normalen Asylprozess durchlaufen, werden wir als "Versuchskaninchen" missbraucht." (6) wurde nicht zur Kenntnis genommen. Jetzt haben sich Flüchtlinge in einem Brief an die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Landtages, Frau Knöfler, gewandt, mit der Bitte, sich für die Schließung der Ausreiseeinrichtung einzusetzen....
Wir werden sehen, ob sich in Sachen/Anhalt Menschen finden, die den Kampf der Flüchtlinge unterstützen werden.
Da das Ausreisezentrum auf der Grundlage von Erlassen des Innenministeriums besteht, könnte es von dem Selbigen auch geschlossen werden.
Quellen:
(1) (2) (3) Homepage des Innenministeriums/Sachsen Anhalt
(4) Homepage des Ausländerbeauftragten Sachsen/Anhalts
(5) Verschärfung des Runderlasses 42.3-12230 zum Betrieb des Abschiebelagers Halberstadt Juni2003
(6) offener Brief der Flüchtlinge vom 15.08.03