Offener Brief der Initiative Runder Tisch Flüchtlingsheim Möhlau / Vockerode an alle politischen Entscheidungsträger_innen im Landkreis Wittenberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach jahrelangem Ringen um die Schließung des Flüchtlingsheims Möhlau traf der Landkreis Wittenberg im letzten Jahr endlich die Entscheidung zur Schließung der Gemeinschaftsunterkunft. Angekündigt wurde eine dezentrale Unterbringung aller Bewohner_innen im gesamten Landkreis. Realisiert wurde ein Umzug der Bewohner_innen in einen Wohnblock in Vockerode, weil, so die Begründung, es nicht gelungen sei, andere Wohnungen im Landkreis zu finden. Angesichts der Wohnungssituation im Landkreis und des Wohnungsleerstandes ist diese Begründung kaum nachzuvollziehen.
In Vockerode ist die Situation hochproblematisch: Den Asylsuchenden schlägt Ablehnung und Abwehr entgegen. Die Einwohner_innen sind in hohem Maße verunsichert und fühlen sich vom plötzlichen Zuzug von ca. 200 Menschen überrumpelt und von den Entscheidungsträger_innen übergangen.
Inzwischen hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die die Situation in Vockerode problematisiert und einen anderen Ort, aber auch eine andere Form der Unterbringung fordert.
Gleichzeitig erleben wir auch die offen rassistische Argumentation und Agitation durch die NPD. Sie versucht in Vockerode die grundsätzliche Anwesenheit der Asylsuchenden und Geflüchteten im Landkreis, eigentlich aber in der gesamten Bundesrepublik, als Problem darzustellen und kann damit aus verschiedenen Gründen vor Ort durchaus anschlussfähig sein.
Es gäbe an dieser Stelle viel zu bemerken über den Umgang mit Flüchtlingen im Landkreis Wittenberg konkret und über die grundsätzlichen Probleme des Asyl- und Aufenthaltsrechtes in der Bundesrepublik allgemein. Aufgrund des aktuellen Handlungsbedarfes beschränken sich die Unterzeichnenden auf die nächstliegenden Schritte und diesbezügliche Sensibilisierung politischen Entscheidungsträger_innen im Landkreis Wittenberg.
Wir appellieren eindringlich, Vockerode nicht als endgültigen Ort und die Unterbringung in einem Wohnblock, der in der Presseberichterstattung folgerichtig als "Asylbewerberheim" bezeichnet wird, nicht als endgültige Form der Unterbringung zu belassen.
Wir fordern:
- die Entwicklung eines Ausstiegsplans für die Gemeinschaftsunterbringung in Vockerode durch den Landkreis Wittenberg, dessen Ziel die Schließung der Einrichtung ist
- die wirklich dezentrale Verteilung Unterbringung der Asylsuchenden im Landkreis, d.h. in unseren Augen eine Unterbringung in Wohnungen in den Orten bzw. Ortschaften wie z.B. Wittenberg, Jessen, Gräfenhainichen und Coswig, die in der Lage sind, Mindestkriterien wie funktionierenden Anschluss an ÖPNV, Infrastruktur und ärztliche Versorgung zu erfüllen
- die Unterbringung durch den Landkreis selbst und nicht durch einen externen Betreiber, weil so die Gestaltung und die Einhaltung von Standards am effektivsten zu gewährleisten sind,
- die psychosoziale Betreuung und Begleitung der Asylsuchenden vor Ort durch geeignete Fachkräfte mit entsprechender Qualifikation.
Dies alles ist nur im Rahmen eines qualifizierten Konzeptes zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu leisten. Wir sehen hier den Landkreis in der Pflicht, gemeinsam mit allen Beteiligten eine solche Konzeption zu entwickeln und umzusetzen.
Wir, die Initiative Runder Tisch Möhlau/Vockerode bieten uns hierzu ausdrücklich als Gesprächspartner_innen an und fordern alle Entscheidungsträger_innen auf, den Einstieg in den Ausstieg aus der alles andere als dezentralen Unterbringung in Vockerode zu ermöglichen.
Vockerode am 06.03.2013
Erstunterzeichner_innen:
Holger Hövelmann, MdL SPD-Fraktion
Henriette Quade, MdL Fraktion Die Linke
Cornelia Lüddemann, MdL Fraktion GRÜNE
Sören Herbst, MdL Fraktion GRÜNE
Marco Steckel, Opferberatung Dessau
Bernd Herrmann, Kreistagsfraktion Die Linke
Jörg Schindler, Kreistagsfraktion Die Linke
Francoise Greve, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt
no lager Halle
Mario Bialek, Infothek Dessau
Salomon Wantchoucou, Flüchtlingsinitiative Wittenberg