31.03.2013, Flüchtlingsinitiative Wittenberg
Naziangriff auf Flüchtlinge in Vockerode
Nazis jagen Flüchtlinge, dringen in das Lager Vockerode ein und greifen 2 Flüchtlinge in ihrem Zimmer an.
Am Ostersamstag, den 30. März 2013 kam es in Vockerode (Sachsen-Anhalt) zu einem rassistischen und gewalttätigen Übergriff durch Neonazis.
Seit Ende 2012 müssen rund 200 Flüchtlinge im neu eröffneten Lager des Landkreises Wittenberg im Dorf Vockerode leben. Seit ihrem Umzug vom Lager Möhlau nach Vockerode sehen sie sich rassistischen Anfeindungen, Beschimpfungen und Angriffen ausgesetzt.
Am Ostersamstag, den 30. März 2013 um ca.18 Uhr sind drei Personen auf dem Rückweg ins Lager Vockerode. Sie treffen auf mehrere alkoholisierte Männer, die sie mit den Rufen "Neger" und "dreckige Ausländer" beschimpfen. Sie beachten diese zuerst nicht und setzen ihren Weg fort. Als die ersten Bierflaschen fliegen, fangen sie an zu laufen. Sie werden von den betrunkenen Männern verfolgt und flüchten sich in einen der Blocks des Lagers. Dort warten sie ca. 20 Minuten. Dann gehen sie in ihre eigenen Zimmer, die sich in einem anderen Block befinden. Von dort aus beobachten sie ein weißes Auto, einen "Hundefänger", der in der Nähe der Sparkasse parkt, sowie mehrere wartende Männer. Diese sind maskiert. Drei von ihnen umkreisen die Wohnblocks mit Fahrrädern, während der Fahrer im Auto wartet.
Nach einiger Zeit gibt es wieder Lärm. Sie hören, dass die Nazis nun vor dem Block skandieren: "dreckige Neger", "Ihr kommt hierher um unser Geld zu holen" und "Ausländer raus".
Zwei Nazis verschaffen sich Zugang zum Haus, ein dritter wartet vor dem Eingang. Sie treten eine Wohnungstür im ersten Stock ein. Dort befinden sich zwei Flüchtlinge, die von den Nazis angegriffen werden. Sie werden geschlagen und u.a. mit der Äußerung bedroht: "Im Sommer werden wir hier alles kaputt schlagen!".
In dieser Situation verlassen nun auch andere Menschen die Blocks, um die drei Angreifer an der Flucht zu hindern. Der Fahrer verschwindet derweilen mit dem Auto.
Der Sicherheitsdienst, der die ganze Zeit vor Ort war, reagiert während der Vorkommnisse auf mehrmaliges Klingeln nicht. Er verlässt sein Zimmer erst kurz bevor die Polizei eintrifft.
Um 19.50 Uhr wird die Polizei von Gräfenhainichen benachrichtigt. Sie trifft eine halbe Stunde später mit 8-10 Beamten ein. Sie fotografiert neben der eingetretenen Tür auch den Flüchtling, der den Polizisten auf deren Fragen, was geschehen ist, Rede und Antwort steht. Auf dessen Frage, was das Fotografieren solle, bekommt er aber von den Beamten keine Antwort.
Die Nazis werden durch die Beamten außer Sicht- und Hörweite der versammelten Menge gebracht. Sie sind weiterhin aggressiv und einer geht einen Beamten an, nachdem er fotografiert wurde. Ebenfalls vor den Augen der Polizei wird einem der Flüchtlinge ein Faustschlag ins Gesicht versetzt. Daraufhin wird dieser (!) von der Polizei aufgefordert, ruhig zu bleiben. "Wenn ich ihn (den Nazi, also Deutschen) geschlagen hätte, glaube ich nicht, dass ich heute hier wäre", kommentiert dieser.
Nicht genug damit, dass sich kurz nach dem Umzug der Flüchtlinge nach Vockerode eine Bürgerinitiative gründete, die sich zwar von NPD und Neonazis distanzierte, ansonsten aber Rassismen und Vorurteile bediente und z.B. forderte die Zahl „der Ausländer auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“. Nicht genug damit, dass die NPD auf diesen Zug aufsprang und seit Monaten im Zwei-Wochen-Takt Infostände anmeldet. Da Verantwortliche des Landkreises es nicht für nötig halten, die BewohnerInnen des Lagers über den Stand der Dinge zu unterrichten, sind sie ständiger Ungewissheit und einem permanenten Angstzustand ausgeliefert.
Vor wenigen Wochen bereits, nach der Nazidemo in Dessau am 10. März 2013, traf sich abends eine Gruppe Nazis in einer Wohnung in unmittelbarer Nähe des Lagers.
Die Menschen, die gezwungen sind im Lager Vockerode zu leben, sehen sich nach den Angriffen auf ihr Leib und Leben nun einer noch stärkeren Bedrohung ausgesetzt. Die Situation ist spätestens jetzt eskaliert und unter keinen Umständen länger hinzunehmen. Der Sicherheitsdienst ist offensichtlich auch nicht in der Lage, die Menschen dort zu schützen, wie der gestrige Abend demonstriert. Wir werden nicht warten, bis Schlimmeres passiert.
Wir fordern die sofortige Schließung des Lagers Vockerode!