Nicht weit von hier...

Über das neue Flüchtlingslager in Vockerode

Viele Flüchtlinge leben in Lagern, sogenannten „Sammelunterkünften“. Dort leben sie oft jahrelang, weil ihnen verboten wird, sich eine Wohnung zu suchen. Eines dieser Lager befindet sich seit Anfang des Jahres 2013 auch in Vockerode (Landkreis Wittenberg).
Die rund 200 Menschen, die dort nun leben, haben größtenteils vorher in einem anderen Flüchtlingslager in der Nähe von Wittenberg gewohnt, einer alten Kaserne in Möhlau. Nach jahrelangem zähen Ringen und Protesten kam endlich die Meldung von der Schließung Möhlaus – eigentlich eine gute Nachricht. Doch die Unterbringung in Vockerode ist keine Lösung. Auch hier leben die Flüchtlinge in einem Wohnblock gemeinsam auf engem Raum, der wenig Privatsphäre zulässt. Auch die fehlende Infrastruktur – kein Supermarkt, kein Linienbus, kein Kino o.Ä. - hat eine extrem isolierende Wirkung und macht die Unterbringung dort eigentlich unmöglich.
Teile der Dorfbevölkerung zeigen ihren Rassismus ganz offen. Im Januar gründete sich eine Bürgerinitiative gegen die Flüchtlinge. Grund dafür sind die Ressentiments der Dorfbewohner_innen gegenüber den rund 200 Menschen, die aus dem Lager Möhlau dorthin ziehen mussten. Die real angeführten Gründe lassen sich guten Gewissens als „das Übliche“ beschreiben: Angst vor „Überfremdung“ und Kriminalität, Störung des Dorfalltags, ein „Müllproblem“, Sorge um die Kinder (!). Die Initiative will erreichen, dass die Flüchtlinge Vockerode verlassen, gern auch irgendwo an den Waldrand, Hauptsache, das „Problem“ ist beseitigt. Anstatt den Dialog zu suchen und gemeinsam Perspektiven zu entwickeln, reden die Vockeroder_innen bis auf vereinzelte Ausnahmen nur voller Vorurteile über die Flüchtlinge, aber nicht mit ihnen.
Wo eine solch rassistische Grundstimmung herrscht, ist auch die NPD nicht weit. Mitglieder der NPD-Kreisverbände Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld verrteilten wenige Tage nach dem Zwangsumzug der Flüchtlinge bereits Flyer und stellten mehrfach Infostände auf, um ihr menschenverachtendes Weltbild zu verbreiten.
Es kam bereits dreimal zu tätlichen, rassistischen Angriffen in Vockerode! Die Flüchtlinge wurden von den Rassisten beschimpft, körperlich angegriffen und mit dem Tode bedroht – zuletzt am 9. Mai. Die Angriffe ließen sich durch das Antirassistische Netzwerk Sachsen-Anhalt und die Flüchtlinge bereits sorgenvoll voraussehen, da auf der Internetseite des Netzwerks hetzerische und feindliche Kommentare hinterlassen wurden – etwa „Ihr werdet schon sehen, wenn der Sommer kommt, werden wir es euch so richtig zeigen“.
Doch Appelle an die Entscheidungsträger in der Politik blieben ungehört, der weitere Betrieb dieses Lagers wurde explizit als Plan des Kreistages bestätigt. Wir verurteilen diese Ignoranz!
Genau 20 Jahre nach dem rassistischen Mordanschlag von Solingen und vor dem Hintergrund der Pogrome, die Anfang der 90er Jahre in Lichtenhagen, Hoyerswerda und an anderen Orten in Deutschland stattfanden, ist es an den Verantwortlichen im Landkreis Wittenberg, eine weitere Eskalation der rassistischen Gewalt zu verhindern.

Für die sofortige Schließung des Lagers Vockerode!
Für die selbstgewählte Unterbringung aller Flüchtlinge in Wohnungen!
Gegen rassistische Behörden und Nazis – für ein solidarisches Miteinander!

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