Antirassistische Vernetzung Sachsen-Anhalt, 6.6.2013
Stellungnahme zum erneuten Tod eines Flüchtlings in Sachsen-Anhalt,
in Trauer um Adams Bagna!
Der nigerische Flüchtling Adams Bagna stirbt am 30.5.2013. Die Todesursache ist bisher ungeklärt. Können schlechte Unterbringung und mangelnde Versorgung von chronischem Asthma als wesentliche Gründe herangezogen werden?
Nach dem bisher ungeklärten Tod von Cosmo Saizon in Bitterfeld machten Organisationen wie der Flüchtlingsrat und das Antirassistische Netzwerk erneut auf eine mangelnde Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen aufmerksam (1).
Die Vorwürfe einer unzureichenden medizinischen Versorgung wiesen politische Akteure genannt sei hier Bernhard Böddeker, Dezernent für Sicherheit, Ordnung und Kommunales und stellvertretender Landrat im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, als unbegründet zurück (2).
Nun erhärtet ein weiterer Todesfall eines Flüchtlings in Bernburg die massive Kritik der Organisationen an der gesundheitsgefährdenden Unterbringung sowie der mangelhaften Gesundheitsversorgung.
Adams Bagna, ein Flüchtling aus Niger, starb am 30.5.2013. Er lebte in der Gemeinschaftsunterkunft Bernburg und litt an chronischem Asthma. Er soll aufgrund akuter Atemnot aus dem Zimmer gegangen und auf dem Flur zusammengebrochen sein, so berichteten Mitbewohner. Ein Reanimationsversuch des Rettungsdienstes blieb erfolglos. Die genaue Todesursache wird noch ermittelt, heisst es.
Beide Todesfälle stehen jedoch im Zusammenhang verschiedener Benachteiligungen, denen Flüchtlinge in Deutschland ausgesetzt sind. Die beiden Gemeinschaftsunterkünfte Bernburg und Friedersdorf, in denen die Flüchtlinge jeweils leben mussten, standen bereits letzten Herbst in öffentlicher Kritik. Mitglieder des Sozial- und Gesundheitsausschusses hatten sich „entsetzt“ über die Situation im Lager Friedersdorf gezeigt (3). Bernburg erregte durch die permanente Kakerlaken-Plage besonders negatives Aufsehen. Grünen-Politiker Sören Herbst war gegenüber Mdr-Info am 18. 9. 2012 „erschüttert“. Die desolaten Zustände in Friedersdorf und Bernburg zogen zahlreiche Flüchtlingsproteste nach sich.
In Bernburg richtete sich der Protest vor allem gegen den permanenten Schimmel in den Zimmern, sowie die eingesetzte Schädlingsbekämpfung, die stark gesundheitsschädlich ist. Viele Flüchtlinge klagten über Atembeschwerden. Den Aussagen wurde nicht geglaubt. Nun ist Adam Bagna, ein chronischer Asthmatiker, plötzlich umgefallen und gestorben. Dies wirft viele Fragen auf. Ein Zusammenhang mit der Schädlingsbekämpfung erscheint schlüssig (4).
In Friedersdorf blockierten Flüchtlinge bereits den Eingang der Gemeinschaftsunterkunft und demonstrieren seit einem halben Jahr fast durchgängig gegen die Zustände im Lager (5).
Böddeker bezeichnete das Lager als eine „Standardunterkunft“, welche in Ordnung sei. Die aufgebrachten Reaktionen verschiedener Mitglieder des Sozial- und Gesundheitsausschusses (6) des Kreistages dürften ausreichen, um zu verdeutlichen, dass es sich bei den Behauptungen von Böddeker um Verleugnung von Tatsachen handelt. Wie eine überbelegte Barackensiedlung mitten im Wald, mit heruntergekommenen Möbeln, schlechten Sanitäranlagen und ohne die Beratung von ausgebildete Sozialpädagog_innen, dem Standard entsprechen kann, ist nicht verständlich.
Beide GUs befinden sich in desolatem Zustand. Diese Form der Unterbringung verursacht bei den Flüchtlingen gesundheitliche und psychische Probleme.
Doch nicht nur die Unterbringung sondern auch die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen stellt ein Problem dar. Daher widersprechen wir den Aussagen von Herrn Böddeker hiermit erneut vehement. Er behauptet, dass es eine Gleichbehandlung von Flüchtlingen gäbe.
Wie kann hier jedoch von einer Gleichbehandlung gesprochen werden, wenn die Ungleichbehandlung bereits im Aslybewerberleistungsgesetz (AsylLG) gesetzlich verankert ist. Im § 4 des AsylLG wird ausdrücklich benannt, dass nur eine Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzen finanziert wird. Damit fallen alle chronischen Beschwerden aus der Standardbehandlung heraus. Eine Sondergenehmigung durch das Sozialamt ist dabei von Nöten.
Böddeker behauptet weiterhin, dass es bei der Beantragung beim Sozialamt „noch nie Probleme“ gegeben habe. Wie er zu dieser Behauptung kommt, ist für uns, die regelmäßig mit Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt sprechen, kaum zu verstehen. Im Landkreis Wittenberg wurden Behandlungen von chronischen Rückenschmerzen in der Regel nicht übernommen. Fälle, in denen Zähne eher gezogen werden, als dass es eine Füllung finanziert wird, sind uns ebenso bekannt. Psychotherapie wird ebenfalls kaum genehmigt. Zusätzlich gab es schon zahlreiche Beschwerden, in denen ein männlicher Sachbearbeiter genaue Angabe von intimen Gründen für den Besuch eines Frauenarztes brauchte, um diesen zu genehmigen. Die Liste von Problemen ist lang.
Der Tod von Cosmo Saizon und der Tod von Adams Bagna erhärten die Kritik an der menschenunwürdigen Unterbringung und einer mangelhaften Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in Deutschland. Es wird deutlich, dass es sich hier nicht um kleine Probleme handelt, sondern lebensgefährliche und tödliche Ausmaße annimmt.
Nach zwei Todesfällen in Gemeinschaftsunterkünften in Sachsen-Anhalt innerhalb weniger Wochen wäre es an der Zeit eine unabhängige Untersuchung der Lebens- und Todesumstände der beiden Flüchtlinge durchzuführen. Stattdessen weisen Verantwortliche jede Kritik von sich und machen weiter wie bisher.
Wir fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine gesetzliche Gleichstellung von allen Flüchtlingen! Dezentrale und menschenwürdige Unterbringung aller Flüchtlinge in Deutschland!