10 Jahre Mord an Oury Jalloh
Ein Blick zurück und einer nach vorn
Am 7. Januar 2015 jährt sich der Mord an Oury Jalloh zum zehnten Mal. Nach zwei Hauptverhandlungen und 126 Prozesstagen hat der Bundesgerichtshof den Fall nun scheinbar geschlossen. Eine weitere Runde findet nicht statt. Der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Dienstgruppenleiter bleibt zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt.
Die Prämisse jedoch, dass sich Oury Jalloh – an Händen und Füßen auf einer feuerfesten Matratze im Keller der Polizeistation Wolfgangstraße in Dessau gefesselt und nach Leibesvisitation ohne Feuerzeug – selbst angezündet haben soll, bleibt unangefochten.
Selten entblößt sich die deutsche Justiz so bereitwillig und stellt ihre Parteilichkeit so demonstrativ zur Schau. Der sachsen-anhaltinische Sumpf paart sich vorzüglich mit dem uniformierten, nach außen hin auf Korrektheit bedachten Rassismus und der bundesweiten Ungläubigkeit vor der Möglichkeit einer solchen Tat.
Die Liste an Ungereimtheiten ist lang, der politische Willen zur Vertuschung groß. Die Selbstentzündungsthese war schon bei der ersten Begutachtung des Tatortes Fakt. Film- und Archivmaterial verschwand, ein Feuerzeug tauchte erst einige Tage später auf. Knochenbrüche des Opfers kamen erst bei einer privat in Auftrag gegebenen Obduktion zum Vorschein und wurden nie erklärt, genausowenig undokumentierte Zellenbesuche und plätschernde Geräusche. Das Innenministerium stattete dem Personal der Polizeistation einen nicht-öffentlichen Besuch ab. Die Zeugen widersprachen sich oder schwiegen. Eine belastende Zeugin wurde versetzt und entschied sich danach ebenfalls, zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft arbeitete gegen die Nebenklage, die Richterin schmetterte alle Anträge ab. Der Tathergang war nie im offiziellen Interesse, nur ob alle auch ihren Job getan hätten.
Gleichzeitig wurde einem Aktivisten seine Arbeitserlaubnis entzogen, andere wurden mit Klagen bedacht. Für zwei maßgebliche Aktivisten endete eine Gedenkdemonstration bewusstlos auf den Kacheln des Dessauer Bahnhofs, eingekesselt und abgetrennt vom Rest. Der Anlass war ein Transparent mit der Aufschrift „Mord“.
Einerseits soll die Geschichte dieses Lehrstücks Thema des Abends sein. Andererseits geht es darum, die Geschichte nicht zu beschließen. Nur der europäische Gerichtshof kann ein neues Revisionsverfahren eröffnen. Unabhängig davon zwang ein privat finanziertes, neues Brandgutachten die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau dazu, wegen Mord gegen unbekannt zu ermitteln. Zu offensichtlich waren die Beweise, dass die Leiche von Oury Jalloh nur mit Brandbeschleunigern in diesen Zustand versetzt werden konnte.
Zwei Aktivisten der Initiative Oury Jalloh werden einen Blick zurück und einen nach vorn werfen. Am 7. Januar 2015 findet die Gedenkdemonstration zum 10. Todestag von Oury Jalloh in Dessau statt. Der Kampf geht weiter, der Druck und die Suche nach Wahrheit.
19.12.2014, 18 Uhr
Infoladen Glimpflich (VL Ludwigstraße 37, Halle)