Frauen in der Migration - Frauen auf der Flucht

Wenn von Flüchtlingen die Rede ist, stehen vor allem verfolgte Männer im Blickfeld der öffentlichen Diskussion. Tatsächlich sind nach Schätzungen der UN weltweit ca. 80% der Flüchtlinge Frauen und Kinder. Die wenigsten von ihnen schaffen jedoch mit ihren Kindern den langen Weg nach Europa. Flüchtlinge, denen die Flucht in europäische Länder gelingt, sind zu 75% Männer.
Natürlich gibt es mehr als nur zwei Geschlechter. Die offizielle Rechtssprechung kennt aber nur Frau und Mann. Die Verfolgung bzw. Unterdrückung von zwischengeschlechtlichen Identitätskonzepten, gleichgeschlechtlichen Beziehungen o. ä. werden nicht als Fluchtgründe anerkannt.

Frauenspezifische Fluchtursachen

Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen für die Migration entscheiden oder zur Flucht aus ihrem Herkunftsland gezwungen werden: Krieg, Verfolgung aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen, Klimawandel und Naturkatastrophen, Perspektivlosigkeit, Armut, Hunger u. v. m.
Neben diesen Fluchtgründen, die für Frauen und Männer gleichermaßen gelten, flüchten Frauen wegen weiterer spezifischer Gewalterfahrungen:

Auch während der Flucht sind Frauen dem erhöhten Risiko von Gewalt ausgesetzt, wie z. B. geschlechtsspezifischen Übergriffen von Grenzbeamten.

Migrantinnen und Flüchtlinge in Deutschland

Angekommen in einem "sicheren" Zielland, wie z.B. Deutschland, beginnt für alle Asylsuchende die lange und meist negativ endende Prozedur des Asylverfahrens. Frauenspezifische Verfolgungsgründe sind zwar in dem neuen Zuwanderungsgesetz von 2005 verankert worden, in welchem Maße diese aber als Asylgrund auch in der Praxis anerkannt werden und zu einem gesicherten Aufenthalt führen, bleibt fraglich. Frauen, die mit ihrer Familie reisen und einen gemeinsamen Asylantrag stellen, bringen diese Gründe oftmals auch nicht vor. (2009 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 258 Frauen aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung Schutz gewährt)
Da generell die rechtliche Situation von Asylsuchenden eine unsichere und die soziale Betreuung eine mangelhafte ist, erfahren viele Frauen mit traumatischen Gewalterfahrungen keinen ausreichenden Schutz oder angemessene psychologische Behandlung. Die allgemeine Entrechtung von Flüchtlingen ermöglicht es Frauen kaum sich eine eigene Perspektive außerhalb der Familie aufzubauen. So bleibt auch z. B. die Gefahr vor häuslicher Gewalt bestehen.
Durch staatlichen Rassismus zur "Illegalität" gezwungen, arbeiten Frauen vor allem als Haushaltskraft oder im Kranken- und Pflegebereich; vereinzelt auch als Sexarbeiterin. Da sie in keinen dieser Bereiche arbeitsrechtlich oder sozial abgesichert sind, gehören Willkür, Nötigungen und Erpressungen zu ihrem Alltag. Alleinreisende Frauen, die ihre Kinder und ihre Familie im Herkunftsland verlassen haben, finden sich oftmals in der Rolle der Familienernährerin wieder. Wobei der Verlust der eigenen Kinder und des sozialen Netzes meist ein sehr schwerer ist.

Das Leben von Flüchtlingen in Deutschland ist durch eine Reihe von Sondergesetzen und Auflagen geprägt. Einige sollen hier genannt werden:

Der Aufenthaltsstatus

AsylbewerberInnen im laufenden Asylverfahren erhalten einen befristeten Aufenthalt. Ist das eigentliche Verfahren abgeschlossen und wie in den meisten Fällen negativ beschieden, kann gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt werden. Was folgt ist meist ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Klägerin und den zuständigen Gerichten (2009 haben 452 Menschen eine Anerkennung des Asyl nach dem Grundgesetz erhalten, das entspricht 1,6% der Gesamtanträge, 26,6% wurde ein Flüchtlingsschutz nach dem Aufenthaltsgesetz gewährt). Abgelehnte AsylbewerberInnen erhalten eine Duldung. Das bedeutet der-/diejenige ist ausreisepflichtig, kann aber (noch) nicht abgeschoben werden, da z.B. kein Pass vorliegt. Maximal ist die Duldung auf ein Jahr, meisten aber auf ein bis drei Monate beschränkt und muss bei Ablauf wieder beantragt werden. Viele Flüchtlinge leben viele Jahre mit einer Duldung in Deutschland.

Die Residenzpflicht

Jeder Flüchtling darf sich nur innerhalb der Grenzen des ihm zugewiesen Landkreis aufhalten. In Deutschland gibt es 413 solcher Bereiche, die Grenzen für die Flüchtlinge festlegen. Je nach Bundesland muss der Flüchtling unterschiedlich hohe Gebühren zahlen um einmalig den Residenzbereich verlassen zu können.

Arbeits- und Ausbildungsverbot

Je nach Aufenthaltstitel erhalten Flüchtlinge eine Arbeits- und Ausbildungserlaubnis. Menschen mit einer Duldung erhalten keine. Kinder dürfen die Schule nur bis zur 10. Klasse besuchen.

Sachleistungsprinzip

Da die meisten Flüchtlinge nicht für ihr eigenes Einkommen sorgen können, müssen sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Diese liegen unter dem normalen Hartz 4 Satzes (rund 70%) und wird je nach Landkreis in Bar, in Form von Gutscheinen oder fertigen Essenspaketen ausgegeben.

Unterbringung in Lagern

Asylsuchende Menschen werden in der Regel für mehrere Jahre in sogenannten "Gemeinschaftsunterkünften" untergebracht. Diese befinden sich meist abgelegen in Industriegebieten, abseits größerer Ortschaften oder am Rand von Waldgebieten. Oft dienen als Lager ehemalige alte Militärkasernen, verfallene Plattenbauten oder Baracken, die zum Teil schwer beschädigt sind und vielfach an keine hygienischen Standards reichen. Der prozentuale Anteil von Frauen in deutschen Lagern liegt bei 21,62% (Stand 2004).
Fehlt es an unabhängigen Beratungsstellen, bleibt als einziger Ansprechpartner nur das Lagerpersonal übrig. Dabei ist anhand verschiedenster Beispiele bewiesen, dass bewusst durch das Personal Druck auf die Flüchtlinge, so auch auf die Frauen, ausgeübt wird. Wenn ein Flüchtling das Lager verlässt, um bei Verwandten oder Freunden kurzzeitig zu leben, so wird sein Zimmer durchwühlt. Es werden Anhaltspunkte gesucht, die Rückschlüsse auf den Verbleib der Person geben. Reichen diese Mittel nicht aus, werden andere Lagerinsassen befragt, ob Sie wissen, wo sich der oder die Person im Moment aufhält. Dadurch entsteht wiederum ein Klima der Verunsicherung und der Angst zwischen den Flüchtlingen.

Gewalt gegen Frauen in Lagern

Am Beispiel einer Frau aus Uganda, die 2001 von dem Hausmeister eines Lagers in Nürnberg im Schlaf vergewaltigt wurde, zeigt sich, dass im Lagersystem ein großes Machtgefälle zwischen Personal und BewohnerInnen herrscht. Dass es überhaupt zu einer Anzeige gegen den Hausmeister kam, ist das Resultat der jahrelangen Arbeit des internationalen Frauencafes in Nürnberg und dem Mut der Uganderin. Es gebe etliche Frauen, die von sexuellen Übergriffen in Flüchtlingslagern durch Hausmeister, Wachpersonal und Lagerleitung, aber auch durch andere Asylbewerber berichteten. Normalerweise kommt es nicht zur Anzeige. Auch die Klägerin wollte erst nicht: "Ihr als Asylbewerberin glaube ja eh niemand." Zudem haben Flüchtlingsfrauen oft Angst vor negativen Konsequenzen für ihr Asylverfahren und Schikanen in ihrer Unterkunft. Hinzu kommt die Scham, die auch andere Frauen oft davon abhält, Anzeige bei Vergewaltigungen zu erstatten.

Abschiebehaft und Abschiebungen

Abschiebung ist die Durchsetzung der Ausreisepflicht einer Person durch die Ausländerbehörde. Meist werden sie per Flugzeug und unter polizeilicher Begleitung durchgeführt. Aufgrund von Protesten durch andere Flugreisende oder der Bordcrew/PilotInnenn werden seit einigen Jahren Sammelabschiebungen organisiert, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Wehrt sich der/die Abzuschiebende, werden ruhigstellende Medikamente und andere Zwangsmittel, wie Fesselungen, eingesetzt. Dabei kam es in der Vergangenheit zu mehren Todesfällen. Die Abschiebehaft soll dabei den Zugriff der staatlichen Organe auf die ausreisepflichtige Person sichern.

Der Tod von Yeni P.

Am 16.4.2010 hat die 34 Jährige Yeni P. aus Indonesien im Abschiebegefängnis Hahnöfersand in Hamburg Suizid begangen Sie war seit dem 23.Februar 2010 inhaftiert, angeblich wegen "Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz". Vermutlich hielt sie sich ohne gültige Papiere in Hamburg auf. Dies ist in den Augen der deutschen Behörden ein Verbrechen.
Yeni hat nichts anderes gemacht, als sich das für deutsche PassbesitzerInnen selbstverständliche Recht auf Bewegungsfreiheit zu nehmen. Vermutlich hat sie, wie so viele andere MigrantInnen auch, hart und für zu wenig Lohn gearbeitet, wurde von Männern ausgebeutet und betrogen (laut Presse wurde sie "in einer Modelwohnung aufgegriffen", reiste "seit 1994 mehrfach mit verschiedenen Identitäten ein und war mit drei Deutschen verheiratet"). Seit fast zwei Monaten war sie in Untersuchungs- und dann in Abschiebehaft. Ihr Verbrechen war es, sich ein selbstbestimmtes Leben zu wünschen, in dem sie selbst entscheidet, wo sie lebt - nicht die Behörden.

Resultat der deutschen Asylgesetzgebung

Resultat der deutschen Asylgesetzgebung, der Praxis der Behörden und der systematischen Isolation sind oft schwere Depressionen der MigrantInnen. Ferner sind die Flüchtlinge aufgrund der abgelegenen Lage der Unterkünfte und der Residenzpflicht erheblich vom kulturellen Leben abgeschnitten. Insofern ist ein Arztbesuch oder ein Treffen mit dem Rechtsanwalt mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn man berücksichtigt, dass jeder Flüchtling der Residenzpflicht und einer mangelnden finanziellen Unterstützung unterliegt. Vielfach befinden sich Frauen hier in einer noch schwierigeren Lage, da sie noch ihre Kinder betreuen und versorgen müssen. Es reicht also noch lange nicht, geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe zur Gewährung eines Asyls einzuführen. Vielmehr müssen die Rechte von MigrantInnen und Flüchtlingen generell überdacht und geändert werden!

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