Bilder aus ZAST + Abschiebelager Halberstadt
von Karawane UnterstützerInnen Gruppe Halle - 09.11.2003
Die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZAST) in Sachsen-Anhalt liegt außerhalb von Halberstadt in einer ehemaligen Kaserne der Roten Armee. Sie umfaßt drei fünfstöckige Plattenbautenblöcke mit insgesamt 1500 Plätzen, die nicht ausgelastet sind. Etwa 700 Menschen sind in der ZAST und warten auf ihre Umverteilung.
Außerdem befindet sich seit Anfang 2002 auf der vierten Etage des ersten Blocks (Block A) das zentrale Ausreisezentrum/Abschiebelager Sachsen-Anhalts. Es wurde vom Innenministerium als sogenanntes "zeitlich befristetes Pilotprojekt" eingerichtet, um Flüchtlinge einzuweisen, die als Aufenthaltsstatus nur eine Duldung besitzen und angeblich die Mitwirkungspflicht verletzen.
Mit der Behauptung, es hätten im ersten Jahr der "Testphase" nicht genügend Flüchtlinge eingewiesen werden können, wurde die "Testphase" des Abschiebelagers Ende 2002 um ein weiteres Jahr verlängert...
Identitätskarte der Insassen des Abschiebelagers Halberstadt außen
Identitätskarte der Insassen des Abschiebelagers Halberstadt innen
Einweisung in das Abschiebelager Halberstadt Seite 1
Einweisung in das Abschiebelager Halberstadt Seite 2
Essenskarten
Gang in der ZAST Halberstadt
Treppenhaus in der ZAST
ZAST/Abschiebelager-Zimmer
Während im ersten Jahr nur sehr wenige Flüchtlinge eingewiesen wurden, ist die Sollzahl von 100 Insassen (laut Pressemitteilung des Innenministeriums Dez. 2001 zum Beginn des "Pilotprojektes") inzwischen annähernd erreicht. Bereits bis Juni 2003 waren 80 Menschen eingewiesen worden. Die Einweisungen gehen weiter, so in den letzten 2 Wochen alleine fünf weitere Menschen.
Dieses wertet das Innenministerium als Erfolg und möchte deshalb das Abschiebelager Halberstadt klammheimlich, ohne öffentliche Erklärung, weiter laufen lassen. Da nach wie vor das "Zuwanderungsgesetz" nicht verabschiedet wurde, wird dieses Lager innerhalb der ZAST Halberstadt nur aufgrund des Erlasses des Innenministeriums betrieben, denn bis jetzt gibt es eine gesetzliche Grundlage dafür nicht.
Sachsen-Anhalt hat als östliches Bundesland weniger Geld als Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, wo sich die andern Abschiebelager in der BRD befinden. So spart sich das Land einen Sozialarbeiter für die Insassen des Abschiebelagers. Es finden keine Gespräche statt, um die "Ausreisewilligkeit" der Insassen zu steigern. Vielmehr ist der vorhandene Sozialarbeiter des Blocks A dazu genötigt worden, sie mit zu betreuen.
Die Situation der neu angekommenen Flüchtlinge in der ZAST ist die, daß sie Essenscheine einmal wöchentlich bekommen und zusätzlich wöchentlich zehn Euro Taschengeld erhalten. Durch dieses Geld können sie die schlechte, vitaminarme Nahrung ausgleichen.
Die als ausreisepflichtig geltenden Insassen des Abschiebelagers in der vierten Etage des Blocks A dagegen erhalten kein Bargeld. Sie erhalten so eine permanente Mangelernährung.
Die Flüchtlinge der ZAST haben eine gelbe Karte, mit der sie die Essensmarken und Bargeld bekommen, die Insassen des Abschiebelagers haben blaue Karten (siehe Bild "blaue karte innen" und "blaue karte vorne"- die gelben sehen genauso aus). Teilweise bekommen die Inhaber der blauen Karten den Stempel nicht, der eine nicht-Illegalisierung bestätigt, und müssen Tage oder Wochen darauf warten. Begründungen für dieses Verhalten gibt es nicht, die Essensmarken (siehe Bild "zast-essenskarten") sind dann der einzige "Identitätsnachweis", den sie besitzen. Andererseits bekommen sie aber auch manchmal einen zwei Wochen gültigen Stempel, könnten also zwei Wochen unerlaubt außerhalb von Halberstadt sein, ohne illegalisiert zu werden.
Die Flüchtlinge in der ZAST können sich im gesamten Regierungsbezirk Halberstadt aufhalten, die Insassen des Abschiebelagers dürfen sich nur in der Stadt Halberstadt aufhalten. Wenn sie außerhalb aufgegriffen werden, sollen sie eine Strafe von 221 Euro zahlen, die sie dann in 240 Stunden auf dem Gelände der ZAST abarbeiten müssen.
Die Bilder von Treppenhaus und Gang, ebenso wie die Zimmer, entsprechen dem Standard in Halberstadt, sie wurden zwar im Block A aufgenommen, aber treffen ebenfalls auf den Block C zu, wo die Familien leben, die noch nicht in Flüchtlingsheime umverteilt wurden. Der Block B wird gerade zumindest teilweise saniert. Ein Insasse des Abschiebelagers hat es nach einem halben Jahr Bemühungen geschafft, weiße Farbe zu bekommen, um sein Zimmer zu malern, Bargeld darf er nicht bekommen.
Die medizinische Versorgung in der ZAST entspricht den Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Das bedeutet hier, daß ein Flüchtling erst in die mehrere Kilometer entfernte Stadt zu einem Arzt laufen muß - falls er Geld hat, kann er auch den Bus nehmen - um dort eine Bestätigung zu bekommen, daß eine ärztliche Behandlung notwendig ist. Mit dieser geht er dann zum Zuständigen und bekommt einen Arztbesuchsschein. Bei den Flüchtlingen der ZAST wird dieses noch halbwegs liberal gehandhabt, bei Insassen der ZAST muß das Arztschreiben schon die Worte "dringend notwendig" oder ähnlich dringliche Formulierungen enthalten.
So wurde vor zweieinhalb Wochen Phung, Huy Thung nach Vietnam abgeschoben. Er hatte fortgeschrittene Paradontose, sämtliche Schneidezähne wackelten. Bereits am 28.05.01 wurde die Notwendigkeit zahnmedizinischer Behandlung bestätigt, in Halberstadt wurde sie ihm dann weiterhin verweigert, unter dem Hinweis, daß er bald abgeschoben werde. So wurde er, am 01.10.02 eingewiesen, nicht behandelt, aber eine Rechnung von über 1000 Euro erstellt, die er bezahlen sollte, wenn er behandelt werden möchte.
Jetzt befindet sich seit einer Woche ein herz- und zuckerkranker Insasse im Krankenhaus. Er müßte Diabetikernahrung bekommen, um sein Herzleiden nicht zu verschlimmern. Er wird noch eine Woche im Krankenhaus bleiben, danach müßte er - eigentlich - aus dem Abschiebelager entlassen werden, da diabetikergerechte Nahrung in der ZAST-Großküche unmöglich ist. Dieses ist nicht sein erster Krankenhausaufenthalt wegen Bluthochdruck. Seine blutdrucksenkenden Medikamente wurden ihm ohne Begründung von Ende August bis 09.10.03 verweigert. Er hat im Gegensatz zu den meisten anderen Insassen immerhin einen ortsansässigen Anwalt.
Die Einweisung von Flüchtlingen in das Abschiebelager erfolgt über einen Bescheid der örtlichen Ausländerbehörde. Es gibt die Möglichkeit innerhalb eines Monats dagegen Widerspruch einzulegen. Bereits letztes Jahr wurde aber dazu übergegangen, daß der Bescheid z.B. am 17. eines Monats ausgestellt wurde und der Flüchtling sich bereits bis zum 25. äußern sollte, andernfalls davon ausgegangen würde, daß er von seinem Recht auf Anhörung gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz keinen Gebrauch machen wolle (siehe hierzu "einweisung seite 1+2"). Durch diese kurze Frist und die Undurchsichtigkeit möglicher Rechtsmittel ist es noch unwahrscheinlicher, daß Flüchtlinge, die sich keine permanenten Anwaltskosten leisten können, ihre Rechte auch wahrnehmen und tatsächlich Widerspruch einlegen.
Während die meisten Flüchtlinge der ZAST nach etwa drei Monaten in andere Flüchtlingsunterkünfte umverteilt werden, bleiben die Insassen des Abschiebelagers hier, ohne Geld und ohne Perspektive einer Verbesserung. So sind 40 der 80 Eingewiesenen (Stand 06.03) inzwischen untergetaucht, die normale Quote für Abschiebelager. 40 konnten hingegen noch nicht illegalisiert werden, die Abschiebequote liegt auch hier bei weit unter 10%. Somit haben wir es in Sachsen-Anhalt mit dem größten Abschiebelager Deutschlands zu tun - und das in einem Bundesland mit 2,5 Millionen Einwohnern und (aufgrund des Schlüssels von Asylbewerbern pro Einwohner) dementsprechend wenigen Flüchtlingen.