Fast alles bleibt beim Alten - Das Lager Möhlau wird nicht geschlossen.

Am Montag den 4. Juli entschied der Wittenberger Kreistag über die zukünftige Unterbringung der im Landkreis lebenden Flüchtlinge.
Den Zuschlag im Ausschreibungsverfahren erhielt der alte und damit auch neue Betreiber Marcel Wiesemann, Geschäftsführer der KVW Beherber­gungsbetriebe. Demnach soll die Unterbringung aller Familien dezentral in Vockerode und/oder Wittenberg erfolgen. Genaue Informationen über den oder die Standorte der dafür vorgesehen Objekte sind laut Pressesprecher des Kreistags nicht bekannt. Klar aber ist, dass es sich auch bei der sogenannten dezentralen Unterbringung um die Konzentrierung der Familien auf einen oder wenige Standorte handelt. Eine selbstständige Suche und Wahl des Wohnraumes, wie es in zahlreichen anderen Gemeinden die Regel ist, wird nicht gestattet. Darüber hinaus ist Vockerode eine kleine Gemeinde mit ca. 1600 Einwohnern und damit kleiner als Möhlau. Sie liegt 9 km vom Ortsrand Dessaus ent­fernt. Während in Möhlau immerhin noch eine Grundschule und ein kleiner Supermarkt vorhanden sind, befinden sich in Vockerode weder Grundschule noch Einkaufsmöglichkeiten. Diese gehörten zu den zentralen Forderungen der Flüchtlinge, da sie diese Wegstrecken zu jeder Jahreszeit zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen müssen. Auch gehörte die Anbindung an Infrastruktur und an öffentliche Einrichtungen zu den Kriterien der Ausschreibung.
Alleinreisende Flüchtlinge sind von der neuen, womöglich sogar dezentralen Unterbringung völlig ausgeschlossen. Sie müssen weiterhin in der Tristesse der ehemaligen Kaserne hinter dem Friedhof von Möhlau leben. Allerdings erwartet der Landkreis vom Betreiber, das Lager wieder "flott" (mdr Regional­nachrichten 13:30, 05.07.2011) zu machen. Wie genau das auszusehen hat, obliegt offenbar Herrn Wiesemann, da dazu keine Informationen vorliegen. Ob die Kreistagsmitglieder, die diesem Unterfangen zugestimmt haben, davon ausgehen, dass dadurch der massive Kakerlakenbefall in den Griff zu bekommen ist, bleibt offen. Sicherlich bleiben von dieser Auf­hübschung die umstehenden Ruinen ausgeschlossen, die dem Vater des Betreibers, Karl Wiesemann, gehören.
Wie auch immer die Sanierung oder Renovierung aussehen wird, ändert dies nichts an dem zentralen Problem der Isolation des Dschungelcamps. - Und der kommenden Isolation der Familien in Vockerode. Ob überhaupt Familien in Wittenberg untergebracht werden, lässt sich noch nicht sagen. Wieso überhaupt eine Unterscheidung zwischen Menschen mit und Menschen ohne Familie gemacht wird und warum davon ausgegangen wird, dass allein reisende Personen weniger unter den katastrophalen Lebens­bedingungen in Möhlau zu leiden haben, bleibt ein Rätsel. Fakt ist, dass die Auswirkungen der Isolation, der Perspektivlosigkeit und mangelnden sozialen, rechtlichen und medizinischen Betreuung gleicher­maßen bei Kindern, Frauen und Männern zu psychischen Problemen führen können bzw. diese fördern und verstärken. (Siehe dazu Gutachten des Psychosozialen Zentrums Halle)
Die nun nach drei Jahren der Diskussion gefällte Entscheidung verdeutlicht vor allem den politischen Unwillen der Verantwortlichen, tatsächlich etwas an der Lebenssituation der Betroffenen zu ändern. Vielmehr finden im Wittenberger Kreistag rassistische Parolen wie: "Flüchtlinge schmeißen ihre Papiere weg, um sich einen Aufenthalt zu erschleichen" oder "Ausländer sind Drogendealer" scheinbar Zustimmung und man bestraft vorsorglich alle Alleinreisenden ohne Chance auf Einzelfallprü­fung (wie es das Landesaufnahmegesetz vorsieht) mit jahrelanger zwangsweiser Unterbringung in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften.

Nur zur Erinnerung, die Forderung der Flüchtlinge und zivilgesellschaftlicher Gruppen war, das Lager Möhlau zu schließen und alle Flüchtlinge stadtnah unterzubringen. Der Kreistag hat sich auf diese Forderung nur minimal zu bewegt. Letztlich werden die Alleinreisenden von den Familien getrennt und damit auch der gemeinsame Kampf für ein besseres, menschenwürdigeres Leben geschwächt. Der Kreistag des Landkreises Wittenberg verfolgt offen­sichtlich das Ziel, die Flüchtlinge im Landkreis für mindestens weitere 5 Jahre (neue Vertragslaufzeit) von der Gesellschaft zu isolieren und sie mundtot zu machen.

Flyer der bei der Kreistagssitzung am 04.07.2011 verteilt wurde

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