no lager halle
27.09.2011
Richter hatte Urteil vor Prozessbeginn geschrieben.
Zeuge machte Aktenvermerk auf Anregung des Staatsschutzes.
Am 15.09.2011 fand vor dem Amtsgericht Dessau ein Prozess wegen "Verstoß gegen die Auflagen" bei der Demon-stration am 5. Todestag von Oury Jalloh (07.01.2010) statt. Ein Aktivist der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh soll damals eine unerlaubte Kundgebung im "Bereich des Landgerichts Dessau" abgehalten haben und wurde durch die Rechtsanwältin Anna Luczak vor Gericht vertreten.
Zu Beginn des Prozesses wurde von dem Angeklagten erklärt, dass der
Prozess Teil der Repressionen gegen Aktivist_Innen der Initiative in
Gedenken an Oury Jalloh ist, eine Schweigeminute keine
Zwischenkundgebung ist und eine Demonstration am Donnerstag um 15 Uhr
nach einem Feiertag (dem 6.1.) gar nicht die Arbeit im Landgericht
stören kann.
Ebenfalls erläuterte der Angeklagte die Rolle Findeisens (einer der
beiden Zeugen), die er im Oury-Jalloh-Prozess spielte. Findeisen ist
Justitiar der Polizeidirektion Dessau. Im ersten Oury-Jalloh-Prozess vor
dem Landgericht Dessau wurde Anfang Juni 2007 bekannt, dass er mit allen
Polizisten, die als Zeugen bereits geladen waren und noch geladen werden
sollten, ein oder mehrere Treffen abhielt. Somit war er zentral an der
Absprache der Zeugen beteiligt. Was bei diesen Treffen besprochen wurde,
konnte auch im 2. Prozess vor dem Oberlandgericht Magdeburg bisher nicht
ermittelt werden. Alle Polizisten die als Zeugen vor dem Landgericht
Dessau als auch dem Oberlandgericht Magdeburg vernommen wurden, konnten
sich angeblich nicht erinnern, was bei den Treffen besprochen wurde.
Justitiar Findeisen und die Polizisten, die als Zeugen in den Prozessen
aussagten und zum Großteil am Tag als Oury Jalloh ermordet wurde, Dienst
hatten, begleiten die Demonstrationen, der Initiative in Gedenken an
Oury Jalloh. So auch die Demonstration am 7.Januar 2010 in Dessau - und
versuchen rechts-widrige Demonstrationsauflagen umzusetzen.
Bei der Befragung des Zeugen Findeisen durch die VerteidigerIn Anna
Luczak sagte er aus, dass er seinen Akten-vermerk (Bericht) schrieb, wie
vom Staatsschutz gefordert. Der Aktenvermerk wurde am 11.02.2010
verfasst. Die Anzeige wurde am 10.02.2010 geschrieben. In der Anzeige
vom 10.02.2010 wurde sich auf den Aktenvermerk Findeisens vom 11.02.2010
bezogen. Diese erstaunliche zeitliche Abfolge konnte der Zeuge nicht
erklären. Er sagte nur, dass er erwartet hatte, dass die Stadt Dessau
bereits einen Bericht verfasst hätte.
Ebenfalls konnte der Justitiar der Polizeidirektion Dessau nicht sagen,
wie weit der „Bereich des Landgericht Dessau“ reichen könnte, sondern er
schlug mehrere mögliche Varianten vor. Findeisen war sich aber sicher,
dass die Schweigeminute „im Bereich des Landgerichts“ abgehalten wurde.
In diesem war im Auflagenbescheid jegliche Benutzung von Tontechnik
verboten worden.
Der Zeuge Meier, der den Bußgeldbe-scheid schrieb, konnte sich nicht mehr genau erinnern.
RA Luczak verwies auf die Ungenauigkeit des Auflagenbescheides, auf mehrere Urteile, u.a. das Urteil des Bundesverfassungsgericht von 1981 über die Nutzung von Tontechnik und forder-te den Freispruch ihres Mandanten, da der Auflagenbescheid rechtswidrig ist.
Der Beschuldigte erklärte abschließ-end, dass trotz Repressionen und solcher Prozesse die Aktivitäten für die Aufklärung der Ermordung von Oury Jalloh weiter gehen werden.
Der Richter zog sein schon geschriebenes Urteil hervor, ergänzte es um wenige Zeilen und erklärte, dass die Auflagen rechtmäßig waren, das Landgericht in seiner Arbeit durch den Einsatz von Tontechnik gestört worden sei, eine unerlaubte Benutzung von Tontechnik vorlag, ein unerlaubter Zwischenstopp statt gefunden hat und der Beschuldigte dies vorsätzlich tat. Er blieb bei einem Bußgeld von 75 €.