22.03.09, Nico P. von Abschiebung bedroht, trotz eingetragener Lebenspartnerschaft!
Nico P. floh 2003 aus Benin in die BRD. Er wurde in die ZAST Halberstadt
gebracht. Von dort musste er ins Flüchtlingslager in Loburg nördlich von
Dessau ziehen. Er konnte sich nur im Landkreis Anhalt-Zerbst legal
aufhalten, also weder nach Dessau, Halle oder Magdeburg fahren ohne die
Residenzpflicht1) zu verletzen. Im Lager in Roßlau mußte Nico P. öfters
übernachten, da er nach dem er bei der Ausländerbehörde, dem Sozialamt
oder Arzt war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr am selben Tag
nach Loburg zurück kam. Im Lager in Roßlau freundete sich Nico u.a. mit
Oury Jalloh an, der am 7. Januar 2005 qualvoll in der Polizeidirektion
Dessau starb.
2006 wurde das Lager in Loburg genauso wie das Lager in Roßlau bei
Dessau geschlossen. Er wurde in das Flüchtlingslager Burg umverteilt.
Einige befreundete Asylbewerber aus dem Lager in Loburg und Roßlau
wurden nach Dessau, Mölau und eben Burg bei Magdeburg umverteilt. Die
Kontakte rissen durch die Entfernung, den schlechten Nahverkehr und die
Residenzpflicht teilweise ab.
Die Zahl der Asylsuchenden in der BRD sinkt. Dementsprechend kommen weniger Asylsuchende nach Sachsen-Anhalt, nach dem Länderschlüssel werden 1,4 % der Asylsuchenden nach Sachsen-Anhalt verteilt. Das Land Sachsen-Anhalt gibt die teure Lagerunterbringung nicht auf und lässt die Asylsuchenden nicht in Wohnungen in den Städten, in die sie einmal verteilt wurden, leben, sondern weist die Asylsuchenden in andere - angeblich bewohntere und rentablere - Lager ein. So mussten Asylsuchende in Sachsen-Anhalt teilweise fünfmal das Lager wechseln, in dem sie leben mussten, verloren jedes Mal aufs neue die mühsam aufgebauten Kontakte zu hier lebenden Menschen, Sozialeinrichtungen und Asylsuchenden im Lager. Die Interessen der Asylsuchenden, endlich nach ihrer Flucht ein stabiles Umfeld zu haben, wird damit zunichte gemacht. Die Integration in die Stadt bzw. den Ort, in dem sie durch die Residenzpflicht festgehalten werden, wird durch die häufigen, erzwungenen Umzüge in immer entlegenere Lager unmöglich gemacht. Während Nico in Burg, in einer für seine große Naziszene bekannten Stadt verteilt wurde2), sitzen andere Asylsuchende aus dem Lager in Loburg und Roßlau inzwischen in Dörfern wie Mölau und andern Lagern fest.
Nico engagierte sich - genauso wie in Benin - politisch u.a. in der Flüchtlingsselbstorganisation Flüchtlingsinitiative Brandenburg (FIB). Seit dem Tod von Oury Jalloh beteiligte er sich an der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh". Nico nahm an Treffen von Flüchtlingsselbstorganisationen und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen in Dessau, Brandenburg, Halle und Hamburg teil. Er konnte so Kontakte aufbauen, lernte weltoffene Menschen kennen, unter anderen auch seine jetzige Lebenspartnerin Daniela. Da Daniela eine Transsexuelle ist, konnten Nico und Daniela nicht heiraten. 2007 gingen sie deshalb eine Lebenspartnerschaft ein. Hiermit hat Nico das Recht auf einen Aufenthaltstitel und eine Niederlassungserlaubnis in Berlin. Die Residenzpflicht darf für Nico nicht mehr gelten. Außerdem hätte Nico als Asylsuchender, der seit 2003 in der BRD ist, seit 2006 auch eine Arbeitserlaubnis haben müssen3).
All dieses verweigert die Ausländerbehörde Burg (Jerichower Land) rechtswidriger Weise und wollte Nico gar abschieben. Der Abschiebetermin zum 15. Dezember mußte erst vom Verwaltungsgericht Magdeburg am 22. Dezember per einstweiliger Anordnung verhindert werden. Das Verwaltungsgericht rügte die Androhung der Abschiebung von Nico P. durch die Ausländerbehörde des Jerichower Landes, da die Behörde die erforderliche Verhältnismäßigkeitsentscheidung nicht durchgeführt habe und teilte auch nicht deren Auffassung, dass es sich bei der Lebenspartnerschaft von Nico und Daniela um eine "Scheinpartnerschaft" handele.
Dieses gesetzeswidrige Verhalten der Ausländerbehörde ist nicht hinnehmbar!
Für die sofortige Erteilung von Nicos Aufenthalts, die Aufhebung der Residenzpflicht und sein Recht nach Berlin zu ziehen ruft u.a. die Antirassistische Initiative Berlin zu einem "Transgenialer Polterabend" in Burg am 2. April ab 15 Uhr auf.
Gegen Homophobie, Rassismus und Behördenwillkür! - In Burg und überall.
Weitere Informationen:
Donnerstag, 2. April 09, 15.00 Uhr, Ausländerbehörde Burg - Transgenialer Polterabend für Daniela und Nico ari Berlin
14.01.09, Verwaltungsgericht: Lebenspartner darf nicht abgeschoben werden. LSVD Sachsen-Anhalt
22.11.08, Interview mit Nico P., Ausländerbehörde Burg will Nico trotz
eingetragener Lebenspartnerschaft mit seiner transsexuellen Freundin
abschieben. freie-radios.net
10.11.08, Kein Aufenthalt für Nico P. - Abschiebung droht! Trotz
eingetragener Lebenspartnerschaft kein Schutz für Nico P.
Ausländerbehörde Burg lässt Nico wieder nicht zu seiner transsexuellen
Partnerin nach Berlin. Antifa Burg
Fußnoten:
1) Residenzpflicht
1982 Einführung der Residenzpflicht (Beschränkung des Aufenthalts von
Flüchtlingen im Asylverfahren auf den Bezirk der Ausländerhehörde) in
der BRD. Die Residenzpflicht ist einmalig in der Europäischen Union und
existiert nur in Deutschland. Flüchtlingsselbstorganisationen sprechen
von einem Apartheidsgesetz.
Die Bundesregierung ist bestrebt, die Residenzpflicht Schengen-weit
einzuführen, da sie sich im Raum des Schengen-Abkommens verbesserte
Kontrolle der Asylempfänger für alle Schengen-Staaten verspricht.
Zur Geschichte der Residenzpflicht im Deutschen Reich seit 1908 siehe
"Von den Arbeits-Sklaven zur Green Card" unter
CEE IEH #79
2) Liste der Naziübergriffe in Burg
(Quelle: mobile-opferberatung)
10.05.2003 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Während eines Hardcore-Konzerts taucht eine größere Gruppe von Naziskins
auf und prügelt auf KonzertbesucherInnen ein, von denen mehrere
verletzt werden.
05.05.2005 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Circa 20 Rechte greifen in einem Park eine Gruppe von nicht-rechten
Jugendlichen gezielt an. Zwei der Jugendlichen werden durch Schläge
verletzt. Ein Betroffener muss im Krankenhaus behandelt werden. Die
anderen Jugendlichen können flüchten.
19.03.2005 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Am Abend wird eine Gruppe von alternativen Jugendlichen auf dem
Gummersbacher Platz in Burg von etwa einem Dutzend Rechter angegriffen.
Einem Jugendlicher wird unmittelbar mit der Faust gegen den Kopf
geschlagen, ein weiterer wird mit einem Baseballschläger geschlagen. Ihm
gelingt kurzzeitig die Flucht, nach einer Hetzjagd wird er eingeholt und
von einem der Angreifer mit einem Baseballschläger zu Boden geschlagen.
Nach kurzer Zeit lassen die Angreifer von ihrem Opfer ab und bedrohen
den Jugendlichen verbal. Die anderen alternativen Jugendlichen werden
durch Gewaltandrohungen vom Platz vertrieben. Einer der Betroffenen
muss im Krankenhaus behandelt werden.
12.01.2005 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Vor dem Sekretariat der Berufschule in Burg wird ein Jugendlicher aus
einer Gruppe von drei Personen angegriffen und mit der Faust an den Kopf
geschlagen, nachdem er einen der jungen Männer auf ein "Thor Steinar"
Zeichen an dessen Jacke angesprochen hatte. Als ein Lehrer vorbeikommt,
lassen die Täter von dem Betroffenen ab. Die benachrichtigte Polizei
nimmt die Personalien der Angreifer auf und stellt die Jacke sicher.
28.04.2007 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
In der Nähe des Bahnhofs wird eine Gruppe von Alternativen im Park von
Rechten angegangen. Ein junger Punk wird von einem rechten Angreifer
unvermittelt ins Gesicht geschlagen und danach getreten. Die alternative
Gruppe alarmiert Freunde und geht zum Bahnhof weiter. Als diese am
Bahnhof eintreffen, wird einer aus einer größeren Gruppe Rechter an der
Bahnhofstreppe getreten. Auf dem Bahnsteig werden andere Alternative von
Rechten beleidigt und es werden Aufnäher von einem Rucksack gerissen.
03.06.2007 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Am frühen Morgen gegen 6 Uhr werden vier nicht-rechte junge Frauen und
Männer an der Unterführung beim Bahnhof von drei Rechten angesprochen
und beleidigt. Dabei filmen die Rechten mit einer Kamera das Geschehen.
Als sich einer der Nicht-Rechten bückt um seine Schuhe zu schnüren,
erhält er einen Fußtritt an die Schulter. Eine Punkerin wird geschlagen
und stürzt, der Angreifer prügelt weiter auf sie ein, als sie am Boden
liegt. Der rechte Angreifer ist führendes Mitglied der
Neonazi-Kameradschaft in Burg und leistet zur Tatzeit Dienst bei der
Bundeswehr. Der Angriff wird im Zusammenhang mit Ermittlungen zu
weiteren rechten Angriffen in Burg zur Anzeige gebracht. Der Angreifer
wird im Januar 2008 vom Jugendgericht Burg zu einem Dauerarrest von 14
Tagen verurteilt.
01.08.2007 Möser, ddp, 02.08.07
Ein 27-jähriger Chinese wird in einem Zug von zwei Unbekannten
misshandelt und rassistisch beschimpft. Zunächst wurde der Betroffene in
der Regionalbahn zwischen Möser und Burg rassistisch angepöbelt,
beleidigt sowie durch den Zug verfolgt. Nachdem der Betroffene am
Bahnhof Burg aussteigt, wird er von einem der Rechten mit der Faust in
das Gesicht geschlagen und mit Füßen in den Bauch getreten. Der Chinese
kann in einen Zug nach Magdeburg flüchten, wird aber von dem Täterduo
verfolgt. Einem 16-Jährigen, der für den Chinesen die Polizei
informierte, drohten die Unbekannten ebenfalls Gewalt an. Am Bahnhof
Gerwisch verließen die Angreifer den Zug.
02.08.2007 Burg, Anlaufstelle Mitte, eigener Bericht
Eine 4-köpfige vietnamesische Familie und eine Freundin der 9-jährigen
Tochter werden in ihrer Wohnung in Burg angegriffen. Kurz nach
Mitternacht wird die Wohnungstür der Familie von drei betrunkenen
Männern im Alter von 18 bis 37 Jahren eingetreten, die im selben Haus
gefeiert hatten. Die Familie wird mit rassistischen Parolen beschimpft
und beleidigt. Ein Rechter verletzt den 14-jährigen Sohn der Familie mit
einem Schlag ins Gesicht. Nachdem die Polizei alarmiert wurde, nimmt
diese lediglich die Personalien der drei Männer auf und verweist sie aus
der Wohnung. Da den Beamten die von ihnen erbetene Verstärkung von ihrer
Dienststelle verweigert wird, fahren sie einfach wieder weg. Die
vietnamesische Familie flüchtet sich aus Angst vor weiteren Angriffen in
ihre Gaststätte und verbringt dort den Rest der Nacht. Die Männer
dringen erneut in die Wohnung ein, verwüsten diese und stehlen Eigentum
der Familie.
24.05.2008 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Ein Flüchtling aus Burkina Faso wird nach einem Besuch in der Diskothek
"Night Fly" zusammen mit seinem Freund aus Saudi-Arabien von einer ca.
10-köpfigen Gruppe rassistisch beleidigt, bespuckt und geschlagen. Der
Betroffene aus Burkina Faso erleidet eine Augenverletzung, der Mann aus
Saudi-Arabien wird durch Tritte am Knie schwer verletzt. Der Türsteher
der Disko greift nicht ein. Die von den Verletzten gerufene Polizei
nimmt keine Personalien von anwesenden Tatverdächtigen auf, sondern
fährt die beiden Angegriffenen lediglich ins Krankenhaus.
25.12.2008 Burg, Anlaufstelle Nord, eigener Bericht
Kurz nach Mitternacht wird einem Migrant in der Disko Night-Fly erst ein
Bein gestellt, dann wird er geschubst und rassistisch beleidigt. Er
selbst und seine deutschen Begleiter werden der Disko verwiesen. Draußen
werden sie von ca. 20 Personen, die ihnen aus der Disko gefolgt sind,
gejagt. Es gelingt ihnen, sich in das gegenüberliegende Polizeirevier
zuflüchten.
3) Arbeitserlaubnis
Dass Ausländerbehörden Asylsuchenden die Arbeitserlaubnis in
Sachsen-Anhalt verweigern, obwohl diese nach 3-jährigem Aufenthalt ein
Recht auf eine Arbeitserlaubnis haben, ist in Sachsen-Anhalt fast schon
die Norm.Warum Gutscheine für unschuldige, nicht kriminelle, arme Flüchtlinge,
die nur um ihr Leben kämpfen, damit sie nicht in ihren jeweiligen
Ländern sterben, an denen die deutschen Regierung durch ökonomische
Abkommen und Gewinne profitiert?