Pressemitteilung 23.07.09

Repressionen, Kriminalisierung und Abschiebung oder der Umgang des deutschen Staates mit FlüchtlingsaktivistInnen am Beispiel von Felix Otto & Mouctar Bah

• Felix Otto beteiligte sich als Flüchtlingsaktivist an den Kämpfen gegen Residenzpflicht und für die Schließung (u.a.) des Lagers in Katzhütte. Um seinem Engagement gegen rassistische Sondergesetze nach zu gehen, fragte er natürlich nicht bei der Ausländerbehörde des Saale-Orla-Kreis nach.
Dies wäre auch ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen, da die Ausländerbehörden eine sog. "Verlassenserlaubnis" ohne Begründung verweigern können. Nur bei Reisen zu Familienfeiern, religiösen Feierlichkeiten und Anwaltsbesuchen besteht eine Chance eine "Verlassenserlaubnis" zu erhalten.
So war Felix Otto außerhalb des Landkreises Saale-Orla "illegal" auf Reisen - und wurde wie viele andere kontrolliert. Bei dem ersten "Verstoß" gegen die Residenzpflicht wurde dies als Ordnungswidrigkeit geahndet, beim zweiten Mal als Straftat. Die Residenzpflicht ist eine Kuriosität im dt. Recht, von den Nazis aus dem Jahr 1938. Ein einmaliger Verstoß gilt als Ordnungswidrigkeit mehrmalige Verstösse gelten als Straftat. Bis 1981 war die Residenzpflicht außer Kraft gesetzt, dann wurde dieses Gesetz unverändert wieder rechtskräftig.
Auf dieser Grundlage wurde Felix Otto zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt, jetzt ist er in der JVA Suhl-Goldlauter inhaftiert. Am 15. Juli fand vor dem Amtsgericht Suhl ein Prozess statt, damit die Ausländerbehörde Felix nach der Haft abschieben kann. Er selbst wurde zwei Tage vorher von dem Prozess unterrichtet, sein Anwalt gar nicht. Felix Otto wurde in Hand- und Fußfesseln vorgeführt. Das Amtsgericht hielt die Abschiebung wegen Verstoß gegen die Residenzpflicht für rechtmäßig.

Am 16.07. fand daraufhin eine Kundgebung in Suhl und vor der JVA Suhl-Goldlauter statt. Bereits in der Innenstadt versuchte die Polizei die Kundgebung mit Strafandrohungen und Diskussionen zu stören. Vor dem Verwaltungskomplex am Rand von Suhl-Goldlauter, in dem das Kreiswehrersatzamt, die JVA und weitere Behörden untergebracht sind, erwartete die KundgebungsteilnehmerInnen ein großes Aufgebot der Beweissicherungs und Festnahme Einheit (BFE) Erfurt. Die Kundgebung musste außerhalb der Sichtweite der JVA abgehalten werden, diese sei Privatgelände! So wurde versucht zu verhindern, dass auch nur akustisch Felix Otto erreicht werden konnte. Der Sinn der Kundgebung, dem Gefangenen Solidarität zu bekunden, sollte verhindert werden.
Die BFE war mit Ferngläsern und Kameras ausgestattet und filmte alle KundgebungsteilnehmerInnen ab, ohne dass eine Straftat erkennbar war. Fotografierende KundgebungsteilnehmerInnen wurden von BFE-Polizisten angegriffen und gezwungen Fotos zu löschen. Die BFE-Polizisten hätten Angst, dass Fotos von ihnen veröffentlicht würden, die Foto- und Filmaufnahmen der BFE-Einheit würden ja nicht veröffentlicht. Die BFE-Einheit griff mehrfach die Kundgebung an, selbst als die Kundgebung beendet werden sollte wurden DemonstrantInnen am Einsteigen in die Autos gehindert.

• Ein anders gelagerter Fall ist die fortgesetzte Kriminalisierung und der drohende Ruin von Mouctar Bah, Freund von Oury Jalloh, Gründer der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" und gezwungener Weise ehemaliger Betreiber eines Telecafés in Dessau.

Bereits Anfang 2006 wurde ihm als Reaktion auf sein Engagement nach dem Mord anOury Jalloh im Polizeigewahrsam am 7. Januar 2005, die Gewerbelizenz entzogen. Er sei nicht offensiv genug gegen Drogenverkäufe in der Umgebung seines Geschäfts vorgegangen. Da er weiterhin als Angestellter im selben Telecafé arbeitete, wurde der neue Betreiber so lange unter Druck gesetzt, bis er aufgab. Das Telecafé besteht als Anlaufpunkt.
Mouctar Bah hat seit 2006 nach wie vor keine Gewerbelizenz erhalten. Die Begründung wurde erweitert:
Weil er allein in dem Laden arbeite sei er "leitend tätig", was gegen die Auflagen aus dem Entzug seiner Lizenz verstoße. Seine Kundschaft würde die Umgebung des Cafés verschmutzen, gegen die Wände urinieren und nachts Lärm machen. Der Drogenhandel würde fortgesetzt. Vorwiegend Afrikaner würden laut Beobachtungen der Polizei das Geschäft aufsuchen.
Einige der Cafébesucher hätten den ihnen zugewiesenen Landkreis ohne Genehmigung verlassen und damit gegen die Residenzpflicht verstoßen. Außerdem wurde Mouctar Bah von einem Rassisten angegriffen und angezeigt. Ein Polizist zeigte ihn während des sog. Oury-Jalloh-Prozess an, er hätte Polizisten als "Negerkiller" bezeichnet. Die Anzeige wurde fallen gelassen.
All dies wertet das Ordnungsamt als Indiz für "große charakterliche Mängel" und verweigerte die Lizenz.

Am 17. Juli 2009 teilte die Internationale Liga für Menschenrechte mit, daß sie dem Kapitän der Cap Anamur Stefan Schmidt und Mouctar Bah die Carl-von-Ossietzky-Medaille 2009 verleihen wird. Der Festakt findet am 13. Dezember 2009 statt. In der Begründung für die Verleihung an Moutar Bah wird explizit die Entziehung der Gewerbelizenz genannt.
"Die Zivilcourage, mit der sich Mouctar Bah in Dessau beharrlich für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, wird von Teilen der Bevölkerung offenkundig missbilligt und von den staatlichen Behörden alles andere als bestärkt." ... "Mit der Ehrung von Mouctar Bah und Stefan Schmidt will die "Internationale Liga für Menschenrechte" zugleich auf zwei skandalöse Probleme hinweisen:
erstens auf das fortgesetzte Sterben von Flüchtlingen, besonders aus Afrika vor den Toren Europas und zweitens auf die zunehmende Tendenz in Deutschland, Rassismus und Ausgrenzung gesellschaftlich und institutionell zu dulden."
(Pressemitteilung der Internationale Liga für Menschenrechte vom 17.07.09 - http://www.ilmr.de)

Am 21.07.09 kamen um 10 Uhr sieben Polizeiwagen bei Mouctar Bah vorbei. Sie hatten einen Durchsuchungsbefehl. Der Vorwurf lautete Hehlerei.

weiter Informationen unter:
http://www.thevoiceforum.org
http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

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