Demonstration für die Schließung des Lagers Möhlau in Wittenberg

Am 30.07.09 fand in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) eine Demonstration für die Schließung des Lagers in Möhlau statt. Es beteiligten sich 170 Menschen an der Demonstration, etwa die Hälfte der DemonstrantInnen waren Flüchtlinge aus dem Lager in Möhlau.

Die Flüchtlinge und Flüchtlingsfamilien müssen seit bis zu 15 Jahren in dem ehemaligen Kasernengelände leben. Ohne Privatsphäre, ohne Arbeitserlaubnis, mit Gutscheinen statt Bargeld, ohne Perspektive und von Abschiebung bedroht. Die Flüchtlinge fordern seit dem 12. April in einem offenen Brief, dass sich dies ändert.
Das Lager besteht aus einem heruntergekommenen Gebäude, das als einziges bewohnt wird und in dem viele Bäder und Küchen von Schimmel befallen sind. Die Elektrik ist in einem desolaten Zustand. Um das Gebäude befinden sich viele leere, kaputte, vermüllte und ungesicherte Baracken, die eine Gefahr für die Kinder darstellen.

Das unerträgliche Leben im Lager Möhlau spiegelt sich in den Ereignissen des letzten Monats wieder:
30. Juni - Azad Murad Hadji erlitt lebensgefährliche Brandverletzungen und verstarb am 14 Juli, die Ermittlungsbehörden schließen einen rassistischen Hintergrund nicht aus.
11. Juli - die Flüchtlingsinitiative Möhlau lud zu einer öffentlichen Begehung des Lagers, viele Politiker und AktivistInnen kamen.
16. Juli - die Ausländerbehörde Wittenberg versucht das seit 10 Jahren im Lager in Möhlau festgehaltene Ehepaar Nazmi und Wjollca Stolla in den Kosovo abzuschieben. Die Abschiebung misslang.
24. Juli - der Ordnungsamtsleiter, die Leiterin des Sozialamts und der Lagerbesitzer "besichtigten" das Lager in Möhlau, sie dringen in alle bewohnten Zimmer ein. Der Besitzer des Geländes empfahl den Flüchtlingen im Beisein des Ordnungsamtsleiters: Benutzt nicht so viele Elektrogeräte!

Die Demonstration startete am Bahnhof und ging von dort zum Landratsamt, dem ersten Kundgebungsort. Ein Großteil der DemonstrantInnen stürmen in den Eingangsbereich des Landratsamts. Es wurde dort skandiert "Lager Möhlau muss weg!" und "Wir wollen Freiheit!". In dem Landratsamt waren wenige Polizisten, die Angestellten des Landratsamts waren hilflos bis verängstigt. Hektisch hinzu stürzende Polizisten des Landes Sachsen-Anhalt versuchten die Lage zu eskalieren. Dies konnte durch die Besonnenheit der DemonstrantInnen verhindert werden. Das Landratsamt wurde langsam verlassen und die Demonstration ging über den Marktplatz zurück zum Bahnhof. Während der Demonstration hielten Salomon Wantchouchou, Sprecher der Flüchtlingsinitiative Möhlau, AktivistInnen der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" und "no lager halle" Reden zur Lebenssituation in Möhlau. Diese bezeichneten sie als lebensunwürdig, es wurde die umgehende Schließung des Lagers in Möhlau verlangt. Nur eine dezentrale Unterbringung in Wittenberg kann Abhilfe schaffen.

Am Rande der Demonstration kam es zu einer Diskussion mit dem Leiter des Ordnungsamtes, Uwe Lesch. Herr Lesch freute sich, dass es immer weniger Abschiebehindernisse gebe und nach dem Abkommen mit dem Kosovo dorthin abgeschoben werden kann. Außerdem behauptete er, dass der Landkreis nicht für die Abschiebungen verantwortlich sei. Alle Entscheidungen würden vom Bundesamt für Migration getroffen. Dies entspricht nicht der Realität. Wie die Umsetzung geltenden Rechts bezüglich Abschiebung, Arbeitserlaubnis, Unterbringung, Urlaubsschein und Gutscheine oder Bargeld erfolgt, entscheidet jeder Landkreis selbst.

Aufgrund der anhaltenden Kritik am Lager in Möhlau, sehen sich der Besitzer der ehemaligen Kaserne in Möhlau und Amtsträger genötigt, eine Sanierung des maroden Kasernengeländes zu planen.
Die Sanierung des Geländes ist keine menschenwürdige Lösung, sie muss deshalb abgelehnt werden.

Die Proteste gegen das Lager in Möhlau beginnen in Sachsen-Anhalt eine Diskussion über den Sinn von Lagern, in denen Flüchtlinge festgehalten werden, anzustoßen. So fordern z.B. die Grünen, dass Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt nur noch dezentral untergebracht werden. Eine solche Diskussion können wir nur begrüßen und unterstützen.

Die Unterbringung in Lagern bedeutet Desintegration, Stigmatisierung und Hoffnungslosigkeit für die Betroffenen. Diese ist oft mit der Verweigerung der Arbeitserlaubnis, Unterbringung in gesundheitsgefährdend heruntergekommenen Anlagen und permanenter Unsicherheit (Abschiebung und Nazigewalt) verbunden. Hierdurch verlieren Menschen ihren Lebenswillen und erkranken psychisch und physisch.

In den Worten eines Flüchtlings, der im Lager in Möhlau seit 14 Jahren leben muss: "Nachdem ich drei Jahre hier war, ohne Deutschkurs, ohne Arbeitserlaubnis, ohne Asyl, nur hier im Zimmer, immer nachdenkend, muss ich Tabletten nehmen. Ich halt es nicht mehr aus im Kopf."

• 03.08.09, Flüchtlingsdemo in Wittenberg - Lager Möhlau muss weg! togo action plus
• 01.08.09, Bericht von der Demonstration in Wittenberg für die Schließung des Lagers in Möhlau am 30.07.09 freie-radios.net
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