16.12.09

Bericht & Bilder: das Lager Harbke, Bördelandkreis, Sachsen-Anhalt

Das Lager Harbke befindet sich im Bördekreis in Sachsen-Anhalt, die nächstgrößere Stadt ist Helmstedt in Niedersachsen. Helmstedt ist 7 km entfernt und von den Flüchtlingen nur zu Fuß erreichbar. Für die Flüchtlinge, die im Lager Harbke leben müssen, gibt es eine Sonderregelung der Residenzpflicht. Sie dürfen den Bördelandkreis verlassen, um zur nächsten Einkaufsmöglichkeit in Helmstedt (Niedersachsen) 50 Minuten zu laufen. Um nach Helmstedt zu kommen, müssen sie durch einen Wald auf einem Trampelpfad und an der Bundesstraße entlang gehen.
Eine Ausländerbehörde befindet sich in Oschersleben, 35 km entfernt vom Lager. Die Busfahrt kostet hin und zurück 9 €. Ein Bus fährt nur zweimal täglich, der letzte um 16:00 Uhr. Eine weitere zuständige Ausländerbehörde ist in Wolmirstedt. Als Folge der Landkreisreform in Sachsen-Anhalt wurden zwei Landkreise zum Landkreis Bördekreis zusammengefasst, es blieben beide Ausländerbehörden bestehen, bei welcher ein Flüchtling einen Termin hat, kann nicht beeinflusst werden. Um die Ausländerbehörde in Wolmirstedt zu erreichen, muss vom Lager Harbke aus nach Helmstedt gelaufen werden, dort der Zug nach Magdeburg genommen und nach Wolmirstedt umgestiegen werden.
Falls die Verkehrsmittel Verspätung haben oder ein Anschluss verpasst wird, kommen die Flüchtlinge zu spät zu ihren Terminen, was zu Kürzungen von Sozialleistungen führt. Bewohner mit einem Pass erhalten monatlich 194 €, die ohne einen von der Ausländerbehörde anerkannten/akzeptierten 153 €. Einige bekommen eine sechsmonatige Duldung (Aussetzung der Abschiebung), andere nur eine zweiwöchige. Einige im Lager erhalten eine Arbeitserlaubnis, werden aber weiterhin gezwungen, im Lager zu wohnen und monatlich 185 € von ihrem Lohn für die Unterbringung an die Heimleitung zu zahlen. Die meisten Flüchtlinge erhalten, wenn sie krank sind, nur einen Krankenschein im Sozialamt Oschersleben.

Das Tor zum Lager steht permanent offen. Nachts gibt es keinen Wachschutz - zu teuer meint der Heimbesitzer. Das Lager wurde bis 1990 als Kaserne genutzt. Auf dem Gelände befinden sich 4 leer stehende Gebäude und 2, die von der Verwaltung tagsüber genutzt werden. Dahinter sind 2 Blöcke in denen die Flüchtlinge leben müssen. In den beiden Blöcke stinkt es nach einer Mischung aus Schimmel, Chlor und anderem, obwohl alle Außentüren weit offen stehen. Die Heizung funktioniert kaum oder gar nicht. Die beiden Blöcke sind dreigeschossig, pro Etage gibt es eine Gemeinschaftsdusche, getrennt für Männer und Frauen, und eine Gemeinschaftsküche. Nachdem über die Zustände in der Presse berichtet wurde - extremer Schimmelbefall in Küchen, Bädern und Zimmern - wurde der Schimmel in den Gemeinschaftsräumen teilweise entfernt und die Flächen übermalt. Die mit Schimmel befallenen Zimmer werden inzwischen nicht mehr bewohnt. In einer Küche wurde der verschimmelte Putz nur abgehackt, die Ursache, ein undichter Abfluss in der Decke, nicht repariert. So dringt nach Nutzung des Abflusses der Küche eine Etage höher jedes Mal eine Mischung aus Abwasser und Schimmelputz durch die Decke. In den Gemeinschaftsküchen und einigen Zimmern gibt es seit den Berichten in der Presse Kakerlakenfallen, sie müssen alle 2 Tage gewechselt werden.
Außer Gemeinschaftsküche und -bädern gibt es keine weiteren Gemeinschaftsräume.

In den Gemeinschaftsduschen gibt es keine Duschvorhänge, außer die Flüchtlinge haben selbst welche aufgehängt. Von 4 Duschen hat eine komplette Amaturen, viele Duschen sind nicht benutzbar, bei den Toiletten, dass selbe Bild. In einem Raum gab es scheinbar mal Pissoirs.

In der einzigen Telefonzelle auf dem Gelände kann nur der Notruf gewählt werden. Wird in einem Notfall ein Krankentransport angefordert, weigert sich oft der Notarzt zu kommen. Auch die Polizei beschwerte sich schon, dass sie in der letzten Zeit zu oft gerufen wurde. Folglich müssten Notfälle auf Fahrrädern transportiert werden, da kein Flüchtling ein Auto besitzt - oder es müssen 10 € für eine "Taxifahrt" durch den Lagerleiter gezahlt werden.

Die zentralen Etagenflure (von denen die einzelnen Zimmer abgehen), deren Wände beim letzten Naziüberfall mit Hakenkreuzen beschmiert wurden, werden zur Zeit neu gestrichen. Ein größeres Hakenkreuz außen am hinteren Block wurde notdürftig übermalt.
Die Nazis hatten in den Fluren der beiden Blöcke Pulverfeuerlöscher entleert. Das Pulver nahm die Luft zum Atmen und stieg bis in den obersten Stock. Alle Flüchtlinge waren dadurch in ihren Zimmern eingesperrt und hätten nur aus den Fenstern springen können. Durch das Pulver wurde der Feueralarm ausgelöst. Die durch die Flüchtlinge alarmierte Polizei traf 45 Minuten nach dem Notruf ein, obwohl sie nur wenige Kilometer zurücklegen musste. Dies war nicht der erste Naziangriff auf das Lager.

Durch den extremen Gestank in den Blöcken stehen die Eingangstüren auch nachts offen, sie wären auch nicht verschließbar. Die Flüchtlinge trauen sich - nach eigenen Aussagen - seit dem letzten Naziangriff nachts kaum zu schlafen. Die Zimmer sind alle ca. 15 Quadratmetern groß und oft mit mehreren Flüchtlingen belegt. Die Familien, die teilweise mehrere Zimmer bewohnen, kommen von einem Zimmer ins andere nur über den Etagenflur.
Die Familien sind bereits oder sollen noch in Harbke, Haldensleben und anderen Ortschaften der Umgebung in Privatwohnungen untergebracht werden. So verlieren sie den Kontakt untereinander. Viele der "alleinreisenden Männer" wurden vor 2 Jahren aus dem geschlossenen Lager Weferlingen nach Harbke verlegt. Bereits dort erhielten nur die Familien Wohnungen. Die "alleinreisenden Männer" im Lager Harbke sind extrem frustriert und resigniert.

Das Lager Weferlingen gehörte wie das Lager Harbke dem Heimbetreiber Schlüter. Über die Schließung des Lagers Harbke bzw. die Verlängerung des Vertrages entscheidet der Bördelandkreis im Mai 2010. Wenn der Vertrag nicht verlängert wird, wird im August 2010 das Lager geschlossen.
Der Lagerbesitzer versucht durch Schönheitsreperaturen seinen Gewinn aus der "Unterbringung zu retten. Er verdient an jedem Flüchtling, der hier leben muss, 185 € monatlich. Dabei ist die Summe unabhängig davon, ob mehrere Flüchtlinge (bis zu 6 Personen) oder ein einzelner in einem Zimmer untergebracht ist. So wird ein Zimmer von zwei Männern mittleren Alters bewohnt. Es stehen zwei Metallbetten, zwei Blechspinde, ein Tisch und mehrere Plastik-Gartenstühle im Raum, der Teppich auf dem Boden stammt vom Sperrmüll. An diesem Zimmer verdient der Heimleiter 370 €. Alle weiteren Möbel, die die Gefängnisatmosphäre auflockern, sind vom Sperrmüll oder Geschenke.
Weitere "Verdienstmöglichkeiten" des Lagerbesitzers sind neben "Taxifahrten" Zimmervermietung an Besucher der hier Festgehaltenen. Flüchtlinge, die länger außerhalb des Lagers lebten, und jetzt gezwungen sind, sich regelmäßig im Lager Harbke aufzuhalten, wurden vom Lagerleiter angesprochen, dass sie doch besser woanders sein sollten, da er so Strom und Wasser sparen könnte.

Vor zwei Woche reiste ein Flüchtling aus dem Lager Harbke "freiwillig" aus. Er war seit 17 Jahren in Deutschland und ist durch das Leben im Lager psychisch gebrochen worden.

Druckqualität, wenn ihr auf die Fotos drückt

Die Autobahn (A2) von Berlin nach Hannover verläuft direkt am Lager vorbei, hier eine kleine akustische Probe öffnen

Weg von Harbke nach Helmstedt, durch den Wald und dann entlang der Bundesstraße, ein 50minütiger Weg zur nächsten Einkaufsmöglichkeit

Gelände des Lagers Harbke - mittleres Foto, Gebäude des Wachschutzes, der Tagsüber dar ist, die andern Gebäude stehen leer

bewohnte Blöcke - Block 1 und Block 2, mit übermaltem Hakenkreuz

vom Naziangriff auf das Lager in der Nacht vom 7. auf den 8. November

1. Küche, hier wurde der Schimmel entfernt, feucht kommt es nach wie vor von oben - u.a. durch den Abfluß

                                          und der Gang zur 1. sanitäre Anlagen

                                                              hier hingen mal Pissoirs

2. Küche, abgeschlagener und übertünchter Schimmel (1. Foto)

2tägig gewechselte Insektenfallen

Treppenhaus/Gang                                                     teilweise durchgebrannter Sicherungskasten ohne Abdeckung
                                          2. sanitäre Anlagen

selbstaufgehängte Duschvorhänge                                                       3. sanitäre Anlagen

nächster Gang                   offener Eingang zum 1. Block und sanitäre Anlagen im 2. Block

im Brandfall

Küche im 2. Stock des 2. Blocks

Stromkasten ohne Abdeckung in einer Küche im 2. Blocks

                                                                                                        oberster Stock im 2. Block

                                                                                  Keller, die einzige abgeschlossenen Tür die wir fanden

Presse zum Lager Harbke link

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