Bericht: Delegation aus Mali besichtigt das Lager Möhlau am 07.06.10
Am 07.06.2010 besuchte die AME (Association Malienne des Expulses - Assoziation der Abgeschobenen Malis), gemeinsam mit Medico International und no lager Bremen, die Flüchtlingsunterkunft Möhlau. Die Mitarbeiterder AME kümmern sich um Abgeschobene, welche am Flughafen Bamako oder an der algerisch-malischen Grenze ankommen und medizinische Hilfe, eine Notunterkunft oder juristische Hilfe benötigen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der AME sind Öffentlichkeitsarbeit, politische Kampagnen und Aktionen auf der Straße.
Der Besuch fand im Rahmen einer Rundreise stand, während der
verschiedene Lager in Deutschland bzw. Frankreich besichtigt wurden und
ein Austausch mit Flüchtlingen gesucht wurde. Die beiden Vertreter der
AME, Ousmane Diarra und Alassane Dicko, begingen zunächst das Gelände
des Lagers Möhlau und einige Wohnungen der dort untergebrachten Menschen.
Anschließend berichteten die dort lebenden Flüchtlinge über ihre
Situation und Erfahrungen mit den deutschen Behörden.
So wies ein Flüchtling darauf hin, "dass Menschen nach Syrien
abgeschoben werden, obwohl bekannt ist, dass die Leute dort nach ihrer
Abschiebung in den Knast kommen und nur geringe Aussicht haben, jemals
wieder frei zukommen." Es sei ein Fall bekannt, wo eine Schwangere nach
Syrien abgeschoben wurde, in Haft kam und viel Geld für eine Entlassung
von Verwandten bezahlt werden musste. Des weiteren wurde berichtet, dass
der Landkreis Wittenberg immer wieder neue Papiere (z. B.
Heiratsurkunden) von den Flüchtlingen verlangt, die beigebrachten
Papiere aber nicht akzeptiert. Es fanden Botschaftsvorführungen vor
kurzem statt, an denen die Betroffenen teilnehmen müssen, da ihre
Mitwirkungspflicht gefordert wird. "Aber egal was die Leute machen, es
reicht nicht."
Von verschieden Anwesenden wurde erzählt, dass ihren Kindern
Ausbildungsplätze verweigert werden, mit der Begründung ihres
ungesicherten Duldungsstatus. Dies trifft sogar für Kinder zu, die in
Deutschland geboren wurden. Anstatt ihnen eine Chance für ihre Zukunft
zu geben, erhalten sie mit Erreichen ihrer Volljährigkeitsalter einen
Abschiebetermin.
Eine schwer kranke Frau wartet seit Monaten auf ein Gutachten vom
Gesundheitsamt und weiß bis heute nicht, ob sie abgeschoben werden soll.
Es wurde auch eine ältere Frau erwähnt, die Diabetikerin ist und
unlängst einen Schlaganfall erlitt. Auch sie wurde aufgefordert, zu
einer Botschaftsanhörung zu kommen, obwohl ihr jede Tätigkeit schwer
fällt. Sie ist auf die Unterstützung von Nachbarn angewiesen, die ihr
beim Kochen und bei der Einnahme ihrer zahlreichen Medikamente helfen.
Trotz ihrer gesundheitlichen Verfassung und geringen Deutschkenntnisse
wurde ihrem Mann verweigert, sie auf der Fahrt nach Berlin zur Botschaft
zu begleiten. Außerdem ist sie gezwungen, ihre Duldung alle zwei Wochen
zu verlängern und muss dafür jedes Mal in das zehn Kilometer entfernte
Gräfenhainichen fahren.
Sie gibt mehr als die Hälfte des ihr zur Verfügung stehenden Geldes für
Fahrten zu den jeweiligen Ärzten aus.
Ein weiterer Flüchtling erzählte, dass man "nicht nur Angst vor Nazis
hat, gleichzeitig gibt es die Residenzpflicht." Er selbst muss eine
Strafe von 2000 € wegen eines Residenzpflichtverstoßes, bezahlen, obwohl
er über kein Geld verfügt und nur Gutscheine erhält.
Eine andere Frau bezieht seit zehn Jahren nur Gutscheine für sich und
ihre drei Kinder sowie insgesamt 60 € Taschengeld im Monat. Sie ist
staatenlos, dies wird von der zuständigen Ausländerbehörde aber nicht
anerkannt, so dass man ihr wegen fehlender Papiere unterstellt, ihre
Mitwirkungspflicht nicht zu erfüllen. Deshalb muss sie jeden Monat als
Strafe Arbeitsstunden ableisten.
Ein Sprecher der Flüchtlingsinitiative Möhlau berichtete den
AME-Delegierten, dass "die Flüchtlinge aus Möhlau zusammen kämpfen, um
auf ihre ungerechtfertigte Situation aufmerksam zu machen. So gab es
eine Demo in Wittenberg zusammen mit no lager Halle gegen Gutscheine,
Residenzpflicht und für die Erteilung von Arbeitserlaubnissen. Die hier
erzwungene Isolation stoppt ihr Leben. Nach Internationalen Recht
müssten sie als Flüchtlinge geschützt werden, sie fordern Integration."
Er informierte die Gäste, dass ein Runder Tisch ins Leben gerufen wurde
und es eine Podiumsdiskussion gab, um um ihre Lage mehr publik zu machen
und die Schließung des Lagers zu fordern, damit alle in private
Wohnungen in Wittenberg leben können.
Abschließend sagte ein Flüchtling, dass "die Menschen hier nicht
glücklich sind, sieht man wenn man in ihre Gesichter sieht. Dies führt
zu Spannungen. Ich selbst bin auch unglücklich und das schon wenn ich
morgens aufwache." Gerne würde er seine Freundin heiraten, aber auch das
wird ihm verwehrt.
Nachdem Ousmane Diarra sich lange die Berichte schweigend angehört
hatte, meldete er sich selbst zu Wort. Er erzählte, dass er vor vielen
Jahren ein Migrant war und 1996 abgeschoben wurde. Er hat die
Ungerechtigkeit in der Welt gesehen, die es gegen Migranten gibt. Des
wegen versucht er jetzt die Rechte aller Flüchtlinge und Migranten auf
der Welt zu verteidigen. Seine Organisation hat sich lange mit Migration
und Abschiebung beschäftigt. Mali selbst ist ein Land, wo viele
Flüchtlinge durchkommen. Heute ist er froh eingeladen worden zu sein, um
die Realität der Flüchtlinge zu sehen, die er nicht kannte. Die AME
arbeitet zu verschiedenen Themen, wie dem Pakt der Migration, Frontex,
Rücknahmeabkommen und Abschiebungen. Sie unterstützen und arbeiten
zusammen mit Organisationen, die Flüchtlinge unterstützen, die keine
Papiere haben. Seit zehn Tagen sind sie jetzt in Deutschland und Möhlau
ist das dritte Lager das sie besuchen. Was er gesehen hat, war
schrecklich und hat ihn überrascht. Für ihn ist es hart zu sehen, das
ein Land wie Deutschland, das die Menschenrechte unterstützt so handelt.
Es war traumatisierend für ihn. "Ich sehe hier Familien, junge
intelligente Menschen und Kinder, die auf einer Müllhalde abgeladen
wurden." Das Problem der Flüchtlinge ist nicht nur ein Problem von
Afrika, sondern eins, das es überall auf der Welt gibt.
Bei einer UN-Veranstaltung in Genf hat er Mouctah Bah getroffen, der ihm von Tod Oury Jallohs
erzählte. Immer wieder ist er überrascht, wie Menschen in Europa leben
müssen und ihre Menschenrechte verletzt werden. Was er erfahren hat, war
schlimmer als seine Erwartungen. Seine Organisation arbeitet mit
verschiedenen Menschenrechtsorganisationen zusammen. Was sie jetzt
gesehen haben in Europa, werden sie in Afrika bekannt machen. Sie wollen
versuchen, mit Organisationen in Deutschland, wie z.B. no lager-Gruppen,
zusammen zu arbeiten.
Weiter berichtete er den Anwesenden, das 2008 das 2008 das Weltsozialforum zu Migration auf
den Philippinen stattfand. Dort wurde das Netzwerk "Gerechtigkeit ohne
Grenzen" gegründet. 2009 wurde ein strategisches Treffen dieses Netzwerks in Bamako, der Hauptstadt
von Mali, abgehalten. Im Juli 2010 soll es nochmals ein
Treffen in Bamako geben. Dort wollen sie über das Reden, was sie in Deutschland
erfahren haben und werden über die Situation in Deutschland berichten.
Er betonte, das sie sich an die afrikanischen und europäischen
Regierungen wenden werden, damit sie die Rechte für Migranten
überdenken. Momentan arbeiten sie zu dem Vertrag von Cotonou (Paragraph
3), in dem es um die Abschiebung von Migranten ohne Papiere geht. Diesen
Paragraphen wollen sie im Februar 2011 auf dem nächste Weltsozialforum
in Dakar skandalisieren.
Abschließend betonte Ousmane Diarra noch einmal, wie enttäuscht er ist, dass Menschen in einer solchen Situation, wie er sie in Möhlau vorgefunden hat, leben müssen.
weitere Informationen:
transact zur AME-Rundreise
Bericht zu Abschiebungen nach Libyen bei medico