Landgericht Magdeburg - Pressemitteilung Nr.: 063/10
Magdeburg, den 6. Oktober 2010

(LG MD) Strafprozess um den Tod von Ouri Jallow: Prozessbeginn steht noch nicht fest

21 Ks 141 Js 13260/10 (8/10) - 1. große Strafkammer

Der für den 25.10.2010 um 09.30 Uhr anvisierte Prozessbeginn steht derzeit noch nicht endgültig fest.

Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aufgrund einer schweren körperlichen Erkrankung derzeit nicht verhandlungsfähig ist. Das Gericht hat daher die amtsärztliche Untersuchung des Angeklagten angeordnet, deren endgültiges Ergebnis noch nicht vorliegt.

Sobald die 1. Strafkammer eine Entscheidung getroffen hat wird die Öffentlichkeit informiert.

Eine Akkreditierung von Medienvertretern und sonstigen Prozessbesuchern ist derzeit noch nicht möglich. Die Akkreditierungsbedingungen werden noch gesondert mitgeteilt.

Hintergrund nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 3/10 vom 07.01.2010

"Am 7. Januar 2005 verstarb der in Sierra-Leone geborene Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau. an den Folgen eines durch den Brand der Matratze, auf der er fixiert worden war, ausgelösten Inhalationshitzeschocks.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten, der als Dienstgruppenleiter der Polizei die Verantwortung für den Gewahrsamsbereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen.

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts mit folgender Begründung aufgehoben: Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes "Anschmoren" des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Dort muss sie nunmehr neu verhandelt werden.

BGH Urteil vom 7. Januar 2010 - 4 StR 413/09

LG Dessau-Roßlau - Urteil vom 8. Dezember 2008 - 6 Ks 4/05"

Christian Löffler, Pressesprecher

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