Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Sachsen-Anhalt
Volksstimme 1.09.04

Schlechte Bedingungen und Alternativen

Zu „Flüchtlinge gingen auf die Straße", Volksstimme vom 27. August 2004:
Ja, viele Flüchtlinge aus der ZASt („Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber" des Landes Sachsen-Anhalt) haben die De­monstration genutzt, um auf die unmenschliche Unterbringung in der Ausreiseeinrichtung auf­merksam zu machen. Mit den Flüchtlingen haben aber auch viele Halberstädter und be­sorgte Menschen aus anderen Regionen Sachsen-Anhalts ge­gen die Ausreiseeinrichtung demonstriert.
Zudem hatte der Flüchtlings-rat Sachsen-Anhalt e.V. am Abend vor der Demonstration eine sehr gut besuchte Veran­staltung organisiert, auf der Flüchtlinge, Bürger, Politiker und Verwaltungsmitarbeiter gemeinsam die mit der Ausrei-seeinriehtung gemachten Er­fahrungen auswerteten. Die auf dieser Veranstaltung zusam­mengetragenen Informationen lassen meiner Meinung nach nur einen Schluss zu: Die Aus­reiseeinrichtung sollte so schnell wie möglich geschlossen werden.
Sie erfüllt nicht den Zweck, der von Politikern bei ihrer Einrichtung vor zweieinhalb Jah­ren intendiert war. Nur bei et­wa jedem zehnten Flüchtling, der in der Ausreiseeinrichtung untergebracht wird, kann durch Abschiebung die Ausrei­se erzwungen werden. Bei den übrigen Flüchtlingen führt die mit dem Ausreisezentrum in­tendierte intensivere Betreu­ung, wie auch immer sie ausse­hen mag, nicht zur Überwin­dung der Abschiebehindemisse. Stattdessen sind die Flüchtlinge zu einem zum Teil mehrjähri­gen und perspektivlosen Lager­leben verurteilt. Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge- in der Ausrei­seeinrichtung sind inhuman. Nach oft traumatischen Fluchterfahrungen und nach der für sie nur selten nachvollziehbaren Ablehnung als Asylbewer­ber werden sie in der Ausreise­einrichtung einer verschärften sozialen und räumlichen Ausgrenzung sowie verschärftem psychischen Druck ausgesetzt. .Dem sind die Flüchtlinge nicht immer gewachsen.
Von der Ausreiseeinrichtung geht ein falsches gesellschaftspolitisches Signal aus. Sie steht dafür, dass sich Deutschland gegenüber Flüchtlingen und Migranten zunehmend stärker abschottet. Eine solche Ab­ schottung können wir uns aber angesichts der Tatsache, dass die deutsche Bevölkerung im­mer kleiner und immer älter wird, nicht mehr lange leisten. Zuwanderung ist keine Patent­lösung, sie kann aber helfen, die mit den Schrumpfungsprozes­sen verbundenen Probleme zu bewältigen. Zuwanderung könnte helfen, ein Hartz V oder Hartz VI zu verhindern. Nur dürfen wir dafür die potenziel-len Zuwanderer nicht mit Aus­reisezentren abschrecken. Die Alternative zu dem Aus­reisezentrum ist einfach:
Flüchtlinge sollten bis zum Er­werb eines Aufenthaltstitels oder bis zu ihrer Abschiebung in den Landkreisen bleiben, de­nen sie zugewiesen sind. Die Behörden und sozialen Dienste zu ihrer Betreuung sind dort vor Ort vorhanden. Und Sachsen-Anhalt hätte eine umstrittene Einrichtung weniger.
Prof. Dr. Matthias Rösener, Halberstadt

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