Redebeitrag vom 18.05.

Diese Demonstration findet anlässlich des einjährigen Todestages von John Williams und zu seinem Gedenken statt.

Was geschah mit John Williams?

Mehrere Monate hatten die Bewohner des Abschiebelagers Halberstadt ihren Mitbe­wohner John Williams erfolglos gesucht. Nach intensiven Recherchen wurde erst mit zweimo­natiger Verspätung sein Tod bekannt. John Williams starb am 4. April 2004 im Alter von 49 Jahren.

Er wurde im März 2002 durch die Ausländerbehörde Anhalt-Zerbst in das Abschiebelager in Halberstadt eingewiesen. Begründet wurde seine Einweisung damit, dass er die Mitwirkungspflicht verletzen würde, da er seine Identität verschleiert hätte. John Williams hatte wiederholt angegeben, dass er Sudanese ist, was durch die sudanesische Botschaft bestritten wurde. Die Nicht-Anerkennung der sudanesischen Staatsangehörigkeit durch die sudanesische Botschaft geschieht häufig, wenn es sich um Angehörige der englischsprachigen Minderheit handelt (zu der John Williams gehörte).

In Halberstadt sollten „intensive Bemühungen um Passersatzpapiere“ stattfinden, um ihn aus Deutschland abschieben zu können. Mehr als 2 Jahre später, am 04.04.2004, starb er an einer Gehirnerkrankung.
Seine Krankengeschichte ist keine "übliche" Krankengeschichte, sondern sie macht verschiedene Missstände sichtbar und ist untrennbar mit den Lebensbedingungen im Abschiebelager in Halberstadt verbunden.
Es ist nach wie vor sehr schwierig den Krankheitsverlauf und die Geschehnisse zu rekonstruieren. Durch den Tod von John Williams kann keine Akteneinsicht mehr vorgenommen werden und viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Bekannt ist uns folgendes:

Anfang 2003 wurde mindestens einmal eine Überweisung zu einem Facharzt verweigert. Sein sichtbarer körperlicher und geistiger Verfall führte bei seinen Freunden zu großer Sorge. Herr Williams verlor immer mehr an Sehkraft, seine Fähigkeit zu schreiben und zu gehen.
Er war am Ende nahezu blind. Seine Mitbewohner mussten ihn nachts auf die Toilette bringen und ihn mit Essen aus der Großküche versorgen, da er allein dazu nicht mehr in der Lage war.

Seine Situation wurde noch verschärft, als ihm ab Mitte 2003 keine Duldung mehr ausgestellt wurde. Er konnte sich im Grunde nicht legal außerhalb des Abschiebelagers aufhalten.
Im Dezember 2003 verschlechterte sich sein Zustand so dramatisch, dass die Bewohner des Abschiebelagers, unabhängig von der Sozialabteilung, einen Krankenwagen riefen. John Williams war zu diesem Zeitpunkt un­tergewichtig, er konnte nicht mehr gehen, nichts mehr essen und hat erbrochen. Er war in mindestens vier Krankenhäusern. Als er in die Klinik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verlegt wurde, befand er sich bereits im komatösen Zustand.
Als der Rechtsanwalt von John William versuchte, diesen im März 2004 schriftlich zu erreichen, wurde sein Brief geöffnet und mit dem handschriftlichen Vermerk „Privatpost“ an ihn zurückgeschickt. Bei dem darauffolgenden Telefonat, in dem der Anwalt gerne den Aufenthaltsort seines Mandanten wissen wollte, bekam er keine Auskunft.

Der zuständige Sozialbetreuer räumte John Williams' persönliche Gegenstände aus dem Zimmer, verweigerte Bewohnern und Freunden jedoch die Auskunft über den Aufenthaltsort und den Zustand von John Williams.

Erst Mitte Juni 2004 konnte nach einer schriftlichen Anfrage des Rechtsanwaltes ermittelt werden, dass John Williams gestorben ist. So erfuhren Freunde und Mitbewohner von John Williams' Tod erst zwei Monate später und nicht durch die angeblich gute soziale Betreuung im Abschiebelager Halberstadt. Dies zeigt die Qualität der sozialen Betreuung im Abschiebelager.

Nach dem Bekanntwerden des Todes und insbesondere der Todesumstände wurde erreicht, dass sich unterschiedliche politische Institu­tionen (Innenministerium, Landtag und Runder Tisch) mit dem Schicksal von John Williams auseinander setzen mussten.

Neben antirassistischen Initiativen wurde eine kritische Auseinandersetzung mit dem Schicksal von John Williams und die Forderung nach einer Schließung des Abschiebelagers Halberstadt insbesondere durch den Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt und die PDS Landtagsfraktion gefordert.

Die Bewohner des Abschiebelagers wandten sich in mehreren Schreiben mit Fragen an unterschiedliche Institutionen. Leider scheint es, dass die Institutionen nicht bereit sind, mit den Betroffenen das Gespräch zu suchen, sondern diese werden grundsätzlich übergangen.

Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt - als politisch verantwortliche Stelle - äußerte sich in seinen Antworten vage und widerspricht in seinen Aussagen den Informationen, die unsere Initiative sammeln konnte.

Es wird vorrangig versucht, jeden Verdacht, es gäbe Missstände in der sozialen Betreuung innerhalb des Abschiebelagers, zu zerstreuen.

Dies ist nicht verwunderlich, da gerade diese „soziale Betreuung“ immer wieder als offizielle Legitimation des Abschiebelagers dient.

Bei einer „kontinuierlichen und intensiven sozialen Betreuung“, wie vom Innenministerium im Abschiebelager angepriesen, hätte jedoch der prekäre Gesundheitszustand von John Williams früher bemerkt und behandelt werden müssen.

Entsprechend der Abwiegelungsstrategie der zuständigen Behörden (Innenministerium, Abschiebelager Halberstadt und Ausländerbehörde Anhalt-Zerbst) hatte der Tod von John Williams keine Konsequenzen für die Praxis in Halberstadt.

Aufgrund der unzureichenden Versorgung und der Ignoranz gegenüber den gesundheitlichen und psychischen Folgen des jahrelangen Auf­enthaltes im Abschiebelager können sich solche tragischen Ereignisse wiederholen und werden offensichtlich billigend in Kauf genommen.

Auf Initiative des Runden Tisches gegen Fremdenfeindlichkeit in Sachsen-Anhalt wurde mittlerweile eine Regelung vereinbart, welche den Umgang mit Todesfällen wie dem des Herrn Williams ändern soll - so dass Freunden Auskunft gegeben wird und sie an der Beerdigung teilnehmen können, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Eine grundsätzliche Kritik an den Bedingungen im Ausreiselager steht jedoch weiterhin aus. Ebenso fehlt der Dialog mit den Bewohnern des Abschiebelagers, die bereits mehrfach schriftlich auf die Missstände insbesondere im gesundheitlichen Bereich aufmerksam gemacht haben.

Für die Initiative zur Schließung des Ab­schiebelagers Halberstadt zeigt sich am Schicksal von John Williams, welche Folgen die unmenschlichen Lebensbedingungen, also das Zusammenwirken von Isolation, Leistungsverweigerung und einer völlig ungenügenden sozialen Betreuung haben können, wie sie in Einrichtungen wie dem Abschiebelager Halberstadt herrschen.

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