Offener Brief aus dem Abschiebelager Halberstadt, 15.08.2003
Situation der Menschen mit einem blauen Ausweis in der Ausreiseeinrichtung Halberstadt

Dokumentation eines Schreibens von Flüchtlingen im "Ausreisezentrum" in der ZASt Halberstadt an die Heimleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir Unterzeichnenden möchten mit diesem Brief unsere Gefühle ausdrücken und Sie auf die Probleme aufmerksam machen, unter denen wir täglich zu leiden haben. Bitte nehmen Sie sich einen Moment für unsere Worte Zeit.

Zuerst möchten wir dem allmächtigen Gott danken, durch seine Gnade leben wir bis zum heutigen Tag. Noch einmal danken wir Ihnen, dass Sie uns zuhören. Obwohl in diesem Moment nicht alle hier sind, um diesen Brief zu unterzeichnen, schreiben wir im Einvernehmen mit allen Menschen, die hier mit uns leben und einen blauen Ausweis besitzen.

Die Probleme, mit denen wir hier konfrontiert sind, sind schrecklich. Wir sind Menschen, wie jede andere Person von Gott geschaffen, aber unser Leben wird täglich durch Gesetze mehr und mehr zerstört. Unsere Seele wird nach und nach zersetzt. Wir werden schlimmer als Kriminelle behandelt. Wir sind einzig und allein nach Deutschland gekommen, um unser Leben zu retten und nicht, um es weiteren Repressionen auszusetzen. Wir möchten nicht als psychisch kranke Menschen in unsere verschiedenen Länder zurückkehren in einem Zustand, der schlimmer ist als vor unserer Einreise nach Deutschland. Während andere einen normalen Asylprozess durchlaufen, werden wir als "Versuchskaninchen" missbraucht. Wir bitten Sie, im Namen der Menschenwürde, sich unserer Sache anzunehmen und uns Freiheit zu geben. Zu lange sind wir in einem Käfig eingesperrt, ohne zu wissen, wie lange wir hier noch bleiben müssen. Wir sind hier schon länger als ein Jahr!

"Der Mensch lebt nicht vom Brot allein."

a) Wegen der ungeklärten Zuständigkeiten für die Krankenbehandlung passiert es, dass kranke Menschen keine richtige Behandlung bekommen.
b) Wir haben keinen Kontakt zu Freunden, weil wir kein Geld haben und Halberstadt wegen der Residenzpflicht nicht verlassen dürfen.
c) Wir können keinen Anwalt haben.
d) Mehr als 80 % der Menschen hier leiden unter mentalen Problemen.
e) Kriminelle Gefangene leben besser als wir, obwohl wir keine Straftaten begangen haben.

Wie kann ein Mensch für ein Jahr ohne einen Cent leben?

Wir beten, dass Sie sich unserer Sache widmen um eine Lösung zu finden. Während sogar einige Menschen, die Straftaten begangen haben, heute frei sind, sind wir ohne jegliches Vergehen eingesperrt.

Wir möchten nichts tun, das uns in Schwierigkeiten bringt. Wir möchten unsere Freiheit bekommen und mit allen Menschen um uns herum in Frieden leben.

Möge Gott mit Ihnen sein.

Mit freundlichen Grüßen,

für die Menschen mit einem blauen Ausweis und in ihrem Namen:

(Unterschriften)

PS: die Flüchtlinge, die in das Abschiebelager in Halberstadt eingewiesen wurden, erhalten eine "Blaue Karte" mit Passfoto und Name, Nummer und hauptsächlich Platz für den wöchentlichen Anwesenheitsstempel. Sie sollen sich jeden Montag/Dienstag zwischen 8.30 Uhr - 10 Uhr dazu einfinden. Das Abschiebelager befindet sich im 1. Block - es gibt 3 - der ZAST Halberstadt im 4. Stock.

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