Neues Deutschland, 31.07.2004
John Williams starb trotz "intensiver Betreuung"

Die Todesumstände des Asylbewerbers John Williams, über die jetzt im Innenausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt informiert wurde, belegen nach Ansicht des PDS-Abgeordneten Matthias Gärtner den "inhumanen Charakter" des Abschiebezentrums.

Man hatte kräftig Druck auf John Williams ausgeübt. Im März 2002 wurde der Flüchtling, der nach eigenen Angaben aus dem Sudan in die Bundesrepublik gekommen war, den aber die sudanesische Botschaft nicht als Landsmann anerkannt hatte, nach Halberstadt gebracht. Dort betreibt das Land Sachsen-Anhalt die "Gemeinschaftsunterkunft der Zentralen Ausreiseeinrichtung" - ein beschönigender Begriff für ein Zentrum, in dem abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland vergrault werden sollen.

Weil er seiner "Mitwirkungspflicht" nicht nachgekommen sei, wurden "intensive zielgerichtete behördliche Maßnahmen" eingeleitet. Er erhielt keine Arbeitserlaubnis und durfte sich nur im Bereich Halberstadt bewegen. Faktisch konnte er die auf einem ehemaligen Kasernengelände sieben Kilometer vor der Stadt gelegene Unterkunft überhaupt nicht verlassen, weil ihm auch Taschengeld verwehrt wurde. Essen gab es gegen Gutscheine. Dazu kamen Sprachtests und nachdrückliche Gespräche. Die Duldung, sagt sein Anwalt, wurde teilweise nur noch für einen Tag ausgestellt.

Williams, der zuvor in Coswig gewohnt hatte, machte so Bekanntschaft mit einer seit 2001 bestehenden, in Ostdeutschland bislang einzigartigen Einrichtung: einem Ausreisezentrum. Menschenrechtsgruppen bezeichnen die Zentren, die es in fünf Bundesländern gibt, als "Lager", in denen "willkürlicher Freiheitsentzug" stattfinde und Flüchtlinge zur "Kapitulation" gezwungen würden. Die deutschen Behörden hoffen indes, dort bessere Voraussetzungen für eine Abschiebung von Flüchtlingen unbekannter Herkunft schaffen zu können.

Das galt auch im Fall Williams. Möglichkeiten zur Beschaffung neuer Papiere, so die Behörden, seien nur dort "in quantitativer und qualitativer Ausgestaltung vorhanden". Ein Dessauer Gericht ergänzte Ende 2002, Betroffene könnten in Halberstadt "gründlicher und kontinuierlicher betreut werden" als in einzelnen Kommunen.

An der Wirksamkeit der angeblich intensiven Betreuung muss jedoch gezweifelt werden. Nicht nur, weil die Herkunft von Williams auch nach mehr als zehn Monaten ungeklärt war. Vor allem wurden sein verschlechterter Gesundheitszustand und erste Anzeichen einer schweren Gehirnerkrankung offenkundig zu lange ignoriert.

Im Januar 2003 wurde Williams nach Angaben seines Anwalts der Besuch bei einem Facharzt verwehrt. Obwohl er im Sommer zeitweilig sogar das Augenlicht verlor, hätten sich Ärzte erst Ende des Jahres gründlicher gekümmert. Er wurde in Krankenhäuser überwiesen, wobei versucht worden sein soll, die teure Behandlung in der Hallenser Universitätsklinik zu verkürzen. Am 4. April verstarb Williams in einem Pflegeheim. Er wurde auf einem anonymen Urnengräberfeld beigesetzt. Am Sonntag wird in der Halberstädter Sankt-Johannes-Gemeinde ein Gedenkgottesdienst stattfinden.

Das Abschiebezentrum müsse geschlossen werden, fordert der PDS-Abgeordnete Matthias Gärtner angesichts der Umstände, unter denen John Williams starb. Das gleiche Anliegen haben Menschenrechtsgruppen. die demnächst eine "No Lager Action-Tour" mit sieben Stationen in der gesamten Bundesrepublik durchführen. Am 26. August ist ein Aktionstag in Halberstadt geplant.

Während solche Initiativen grundsätzliche Kritik am Umgang mit Flüchtlingen und den Bedingungen in den Abschiebeeinrichtungen üben, halten staatliche Stellen daran fest. Die Magdeburger Landesregierung entschied zu Jahresbeginn, die Gemeinschaftsunterkunft nach Ablauf der Modellphase fortzuführen und ihre Kapazität sogar von 100 auf 250 Plätze auszuweiten.

Dabei dürften Zahlen aus dem Innenministerium selbst Befürworter der Einrichtung an deren Wirksamkeit zweifeln lassen. 112 Asylbewerber wurden im Jahr 2003 nach Halberstadt überwiesen. Angekommen sind nur 92, die übrigen zogen es vor, in die Illegalität abzutauchen. Vollzogen wurden acht Abschiebungen. weitere 32 Personen, schreibt Minister Klaus Jeziorsky (CDU), seien "untergetaucht bzw. freiwillig ausgereist". Die Zahl der Flüchtlinge, die im Land leben, aber wegen fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können, liegt dagegen bei 1479.

Hendrik Lasch

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