pro Asyl Newsletter Nr.108 Januar 2006 zum Präzedenzfall

"Beschluss zur Rechtmäßigkeit einer Verfügung zur Einweisung in ein Ausreisezentrum"

Mit Beschluss vom 27. Juni 2005 hat der 2. Senat des OVG Sachsen-Anhalt einem sierra-leonischen Kläger Prozesskostenhilfe gewährt - entgegen einer Entscheidung der Vorinstanz. In dem zugrundeliegenden Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit einer Verfügung zur Einweisung in ein sogenanntes Ausreisezentrum. Im Prozesskostenhilfebeschluss führte das OVG Sachsen-Anhalt aus, dass die Verfügung des beklagten Landkreises auf sachfremden Erwägungen zu beruhen scheine. Argumentiert hatte der Landkreis damit, die Maßnahme diene auch dazu, "die schleichende Asylerlangung zu verhindern", erspare Finanzmittel und "unterstreiche ... das öffentliche Interesse an der Unterbringung ausreisepflichtiger Personen. Ein andere Entscheidung würde für diesen Personenkreis ... ein falsches Signal setzen." Weiter: "Die Ausreiseeinrichtung macht ... dem Betreffenden überdeutlich, dass sich ein Bleiberecht für den hoffnungsvoll Eingereisten endgültig zerschlagen hat. (...) Die beugende Funktion der Ausreiseeinrichtung ist dieser wesenseigen. Das beugende Empfinden ist bei jedem, der dort Wohnsitz zu nehmen hat, vorhanden. Diese beugende Funktion ist aber schon der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung wesenseigen. Dem Betreffenden widerfahren somit keine Sondererfahrungen, die andern Asylbewerbern, deren Asylbegehren abgelehnt wurde, nicht widerfahren würden.... Eine erneute Wohnsitznahme an einem anderen Ort in Sachsen-Anhalt außerhalb der Ausreiseeinrichtung käme einer quasi Asylanerkennung gleich." Ganz offensiv wird so entgegen aller sonst üblichen sozialpädagogischen Verschleierungsversuche oder Hinweisen auf den Beratungsbedarf der so Untergebrachten der Charakter der Ausreisezentren als Beugehaftanstalten klargestellt. Das OVG demgegenüber eindeutig: "Diese Darlegung lässt den Verdacht aufkommen, dass die Verfügung aus sachwidrigen Gründen ergangen ist, um Druck auf den Kläger auszuüben, was die Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme zur Folge haben müsste." (Az.: 2 O 90/05 - 5 A 120/05 - MD) Quelle: pro Asyl Newsletter Nr. 108

Urteil-pdf

Archiv 2006 / Materialien