In Gedenken an John William, am 04.04.2004 verstorbener Flüchtling,
der eineinhalb Jahre im Abschiebelager Halberstadt leben mußte.

Mahnwache vom 29.05. ab 14 Uhr am Innenministerium, Halberstädter Str. 1-2
30.05.06 ab 14 Uhr Demonstration in Magdeburg vor dem Innenministerium

Für die Schließung des Abschiebelagers HBS

Die Festung Europa wächst nach außen und innen. Nach dem verzweifelten „Sturm“ von Flüchtlingen auf die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla haben sich ihre Befesti­gungen bis nach Mauretanien und Algerien vorgeschoben. Immer weniger Flüchtlinge können nach Europa gelangen, so daß mehr und mehr Flüchtlingsheime auch in Sachsen-Anhalt geschlossen werden. Dennoch wächst das Abschiebelager Halberstadt im Block A auf dem ehemaligen Kasernengelände, wo sich auch die „Gemeinschaftsun­terkunft der Zentralen Anlaufstelle“ für neu angekommene Flüchtlinge (GU-ZASt) be­findet.

Die Einrichtung solcher offiziell als „Zentrale Ausreiseeinrichtung“, aber auch als „Zentrale Ab­schiebestelle“ bezeichneten Abschiebelager bedeutet für eine wachsende Zahl der in Deutsch­land lebenden Flüchtlinge eine weitere Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Im sachsen-anhaltinischen Abschiebelager in Halberstadt sind inzwischen alle fünf Etagen im Block A mit Flüchtlingen belegt. Nach den niedrigen Standards, die Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt zuge­standen werden, können pro Etage hundert Flüchtlinge untergebracht werden.

Erklärtes Ziel eines Abschiebelagers ist die „freiwillige“ Ausreise von Flüchtlingen, die aus rechtlichen Gründen nicht einfach abgeschoben werden können, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Offiziell soll dies unter anderem durch eine „intensive Betreuung“ gewährleistet werden. In Wirklichkeit sind es jedoch die verschärften Lebensbedingungen, psychischer Druck und so­ziale Ausgrenzung, die viele Flüchtlinge zur Flucht aus dem Lager treiben. Der größte Teil von ihnen zieht allerdings ein Leben in der Illegalität einer Rückkehr vor. Nur deshalb kann die Landesregierung 50 % der eingewiesenen Flüchtlinge früher oder später als „freiwillig aus­gereist“ verbuchen.

Die Unterbringung in der Zentralen Abschiebestelle ist zeitlich nicht begrenzt. Mit der Einwei­sung verlieren die Flüchtlinge die sozialen Kontakte, die sie sich an ihren bisherigen Aufent­haltsorten aufgebaut hatten. Neue Kontakte aufzubauen ist schwer möglich, da das Lager sich 7 km außerhalb der Stadt befindet. Die Flüchtlinge erhalten kein Geld und dürfen nicht arbeiten. Aufenthaltspapiere („Duldungen“) werden ihnen meist nur für ein bis zwei Tage, maximal für zwei Wochen ausgestellt.

Der Aufenthalt im Abschiebelager hat oft gesundheitliche Schädigungen zur Folge. Die per­spektivlose Lebenssituation, die fehlende Privatsphäre und die soziale Isolation führen häufig zu psychischen Beschwerden und Erkrankungen wie Schlaflosigkeit, Depression, Kopf­schmerzen. Eine psychologische Betreuung existiert nicht. Auch körperliche Erkrankungen tre­ten auf, während eine medizinische Versorgung kaum gewährleistet ist. Das Großküchenessen, von dem die Flüchtlinge sich ernähren müssen, ist vitamin- und ballaststoffarm. Ein Flüchtling, der derzeit vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg gegen seine Einweisung in das Abschiebe­lager klagt, erkrankte während seines Aufenthalts im Lager schwer an Diabetes.

Für ältere Flüchtlinge, denen schon das Treppensteigen schwerfällt und die schon gar nicht in der Lage sind, aus dem Lager in die 7 Kilometer entfernte Stadt zu gelangen, wird das Abschiebelager zum Gefängnis. Die Verlegung in untere Stockwerke war alles, was sie bei der Leitung der GU-ZASt Halberstadt erreichten. Auf eine adäquate medizinische Betreuung haben sie kein Recht, ebensowenig wie die anderen Flüchtlinge im Abschiebelager. Eine medizinische Behandlung steht ausreisepflichtigen Flüchtlingen nur zu, wenn sie „dringend geboten“ ist, und selbst dann wird sie ihnen in der Praxis nicht immer gewährt.

So konnte es auch dazu kommen, daß John William im Jahr 2004 an einer Gehirnerkrankung starb, die über ein Jahr lang trotz schwerer körperlicher Symptome völlig unzureichend behandelt worden war. Er hatte bereits im Jahr 2002 aufgrund von Lähmungserscheinungen versucht, einen Facharzt zu konsultieren. Dies verweigerte ihm der Landkreis Anhalt-Zerbst mit der Begründung, dass das vorgelegte Attest „keinen Anhaltspunkt für ein tatsächlich vorliegendes Anfallsleiden“ biete. John William litt darüber hinaus an Übelkeit, Schwäche und Schmer­zen. Im Sommer 2003 kam ein zunehmender Verlust des Augen­lichtes hinzu. Ende 2003 war er kurz in krankenhausärztlicher Be­handlung, wurde aber Weihnachten 2003 zurück ins Abschiebelager entlassen, obwohl er weder essen noch sehen konnte und bis auf die Knochen abgemagert war. Dort blieb er, bis ein Freund Anfang des Jahres 2004 aufgrund seines Zu­standes den Notarzt rief.

In der Folge war er in mehreren Krankenhäusern. Das letzte Kran­kenhaus, in das man ihn brachte, war die Universitätsklinik in Halle/ Saale. Zu diesem Zeitpunkt lag er bereits im Koma.

Am 04.04.04 starb John William im Alter von 49 Jahren in einem Alten­pflegeheim. Er wurde laut Aus­länderbehörde Anhalt-Zerbst auf einem anonymen Urnenfeld begra­ben. Weder sein Anwalt noch seine Freunde wurden informiert, auch nicht seine Familie im Sudan.

Vom Montag, dem 29.05.06, zum Dienstag, dem 30.05.06 werden wir in Magdeburg eine Dauer­mahnwache in Gedenken an John William veranstalten. Im An­schluß daran findet am Dienstag eine Demonstration für die Schließung des Abschiebelagers Halberstadt statt.

Einen Tag vor der Demonstration, am Montag, dem 29.05.06, veranstalten wir ab 17 Uhr im Eine-Welt-Haus Magdeburg (Schellingstr. 3-4) ein öffentliches Hearing zum Abschiebelager Halberstadt unter anderem mit VertreterInnen der Linkspartei/PDS und Andrea Würdinger, Sprecherin des RAV.

no lager halle, Infoladen Halle, Ludwigstr. 37, 06110 Halle e-mail: caravan.halle@gmx.net

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