Aufruf zur Prozeßbeobachtung

John William war ins Abschiebelager eingewiesen worden, weil ihm unterstellt wurde, er verschleiere seine Identität und verletze damit seine Pflicht zur Mitwirkung an seiner Ausreise. Tatsächlich erhielt er jedoch deshalb keinen Nachweis seiner sudanesischen Staatsbürger­schaft, weil die sudanesische Botschaft nur ihren ara­bischsprachigen Staatsbürgern einen solchen Nachweis ausstellt, nicht jedoch den Angehörigen der englischspra­chigen Minderheit, zu der John William gehörte.

Eine derartige Unterstellung wird vielen Flüchtlingen zum Verhängnis. Wenn Sprachgutachten, denen die Flücht­linge sich stellen müssen, zu dem Schluß kommen, daß sie aus einem anderen Land kommen, als sie angegeben haben, gilt dies als Beleg für die Verletzung der Mit­wirkungspflicht und damit als Grund für eine Einweisung ins Abschiebelager. Die Sprachgutachter sprechen oft­mals nicht einmal die Muttersprache der Flüchtlinge, über die sie urteilen sollen.

Die Einspruchsfrist gegen eine „Wohnsitzauflage“, also eine Einweisung ins Abschiebelager, beträgt nur eine Wo­che. Demgegenüber kann der Rechtsweg gegen diese Auflage sehr lang dauern, 14 Monate beispielsweise im Falle des Flüchtlings, dessen Wohnsitzauflage zur Jah­reswende 2005/06 vom Landesverwaltungsgericht Mag­deburg aufgehoben wurde. Die Klagen von zwei weiteren Flüchtlingen, die die Einspruchsfrist gegen die an sie ergangenen Wohnsitzauflagen versäumt hatten, werden derzeit verhandelt. Ein Präzendenzurteil gibt es für solche Fälle in Sachsen-Anhalt noch nicht – obwohl das Abschie­belager Halberstadt seit dem 01.01.02 besteht.

Der erste Verhandlungstag des einen der beiden aktuellen Gerichtsverfahren war der 20.03.06. Mehr als zwei Jahre hatte der Flüchtling weiterhin im Abschiebe­lager verbringen müssen, nachdem er im November 2003 Klage dagegen eingereicht hatte. Bei dieser Verhandlung wurden vom Richter sämtliche Beweisanträge der Klage abgelehnt. Der vereidigte Dolmetscher übersetzte nicht ausreichend, obwohl die Klagevertreterin ausdrücklich auf seine Pflicht hinwies, wortwörtlich zu übersetzen. Auch der Richter unternahm nichts, um die Rechte des englischsprachigen Klägers zu wahren. Daraufhin stellte die Klagevertreterin einen Befangenheitsantrag gegen den Richter, der aber mittlerweile abgelehnt wurde.

Die nächsten Prozeßtermine sind Montag, der 08.05.06, 10 Uhr, und Montag, der 15.05.06, 10 Uhr, VWG Magdeburg, Schönebecker Str. 67 a.

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