Oury Jalloh-Prozess beobachten
Vorgeschichte:
Am 07.01.05 kam es zu einem Brand im Dessauer Polizeigewahrsam, in der Zelle Nr. 5 starb Oury Jalloh. Seit März 2007 wird der Fall vor dem Dessauer Landgericht verhandelt. Durch die Anwälte der Nebenklage, die Oury Jallohs Mutter und Bruder vertreten, konnte erreicht werden, dass der Tod von Mario Bichtermann 2003 in den Prozess einbezogen wurde. Dieser starb unter demselben Dienstgruppenleiter, demselben Polizeiarzt und in derselben Zelle !!
Eigentlich hatte das Dessauer Landgericht geplant, in nur 6 Verhandlungstagen den Tod von Oury Jalloh aufarbeiten zu können. Inzwischen fanden bereits 38 Prozesstage statt.
Als Zeugen gehört wurden ein Freund Oury Jallohs und die Reinigungskräfte, die die Polizei am 07.01.05 gerufen hatten. Durch ihren Anruf war Oury Jalloh inhaftiert worden, obwohl sie keine Anzeige erstatten wollten.
Ansonsten wurden der Polizeiarzt sowie Dessauer Polizisten bzw. Angestellte der Polizeidirektion Dessau befragt.
Die Polizisten widersprachen sich in ihren Aussagen und hatten offensichtlich versucht sich abzusprechen.
In dem Prozess geht es nicht darum, wie es zum Brand im Polizeigewahrsam kam und ob Oury Jalloh da noch lebte, sondern nur um das, was nach dem Brandausbruch geschah. Der vom Hauptangeklagten, dem Dienstgruppenleiter Sch., angegebene zeitliche Ablauf bildete die Grundlage der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und wurde nun auch im Prozess selbst nicht in Frage gestellt.
Das Konstrukt, auf dessen Grundlage dieser Prozess geführt wird, ist:
Der an Händen und Füßen gefesselte, betrunkene Oury Jalloh hätte die feuerfeste Ummantelung der Matratze aufgerissen (mindestens 8 cm²) und dann mit einem Feuerzeug die Matratze entzündet - und das alles
bei über 3 Promille Blutalkohol!
Damit Oury Jalloh die Matratze hätte anzünden können, hätte der Polizist, der ihn
durchsucht hat, ein Feuerzeug übersehen müssen. Auch dieser Polizist sitzt mit auf der
Anklagebank.
Die Überreste eines Feuerzeugs befinden sich auch tatsächlich in den Asservatentüten (Tüten mit
Beweismaterial), deren Inhalt aus der Zelle Nr. 5 stammen soll. Doch wie diese verkohlten
Überreste eines Feuerzeugs zu den Beweismitteln kamen, konnte nach wie vor nicht geklärt werden.
Sicher ist nur, dass das Feuerzeug erst 2 Tage nach der Spurensicherung in den
Asservatentüten gefunden wurde.
Das Konstrukt kommt ins Wanken:
Am 23. Januar wurde dann endlich kein Polizist, sondern der Brandgutachter vernommen.
Es stellte sich heraus, dass - selbst wenn das Konstrukt der Staatsanwaltschaft stimmen sollte - Dienstgruppenleiter Sch. mehrere Minuten verstreichen lassen hat, in denen er Oury Jalloh hätte retten können.
Selbst wenn Oury Jalloh mit über 3 Promille noch fähig gewesen wäre,
- ein Feuerzeug so zu verstecken, dass es die Polizei bei der Durchsuchung nicht finden konnte, und
- er mit Handschellen an Händen und Füßen die feuerfeste Matratze aufreißen und anzünden konnte,
ist die Polizei in der Dessauer Polizeidirektion dafür verantwortlich, dass Oury Jalloh starb!
Daraufhin wurden jetzt mehrere schon angesetzte Prozesstermine ausgesetzt.
Ein neues Brandgutachten soll erstellt werden, in dem genau ermittelt werden soll, ab wann die Temperatur so hoch gewesen sein könnte (etwa 100 °C), dass Oury Jalloh durch einen Hitzetod hätte sterben können. Wie gesagt, wenn das Konstrukt der Staatsanwaltschaft stimmt...
Kommende Prozesstage:
9 Uhr Langericht Dessau, Willy-Lohmann-Straße 29
18. April, 28. April, 25. April, 16. Mai, 20. Mai, 21. Mai, 23. Mai, 30. Mai
Initiative in Gedenken an Oury Jalloh http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
Prozessbeobachtung online unter www.prozessouryjalloh.de
10.02.08, einige ProzessbeobachterInnen/ no lager halle