Residenzpflichtprozess in Halle

Am 18. August 08 fand in Halle vor dem Amtsgericht. der Prozess gegen den politischen Flüchtling Kodjo D'Almelda statt. Er war mehrfach von der Polizei an Bahnhöfen kontrolliert worden und hatte keine Verlassenserlaubnis.

Für Flüchtlinge mit Duldung oder im Asylverfahren gilt die Residenzpflicht. Dieses in Europa einmalige Sondergesetz, gilt in Deutschland seit 1936 und besagt, dass ein Flüchtling seinen Landkreis nicht ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen darf. Die Ausländerbehörde kann den Bereich in dem sich ein Flüchtling aufhalten darf auf den Landkreis, den Regierungsbezirk oder das Bundesland einschränken.

Kodjo D'Almelda durfte sich nur im Bundesland Sachsen-Anhalt aufhalten. Wenn er seine Freundin in Schleswig-Holstein besuchen wollte, mußte er bei der Ausländerbehörde des Saalkreis eine Verlassenser­laubnis beantragen. Die Ausländerbehörde kann die Verlassenserlaubnis ausstellen oder dies verweigern, die Flüchtlinge haben kaum Möglichkeiten sich gegen die Entscheidung zu wehren. Die Ausländerbehör­de des Saalkreis erschwert das Beantragen der Verlassenserlaubnis durch eine Gebühr von 10 Euro, die die Flüchtlinge von ihrer gekürzten Sozialhilfe in Höhe von 190 Euro aufbringen müssen. Obendrein gilt diese Verlassenserlaubnis höchstens eine Woche.

Seit 2005 war Kodjo D'Almelda bereits zwei Mal von der Polizei kontrolliert worden und hatte keine Verlassenserlaubnis. Beim ersten Mal musste er eine Strafe von 40 Euro zahlen, beim zweiten Mal wurde er gar zu 2 Monaten auf Bewährung verurteilt. Wie viele Flüchtlinge, die sehr wenig Geld haben (gekürz­te Sozialhilfe, Arbeitsverbot), hatte er keine oder eine sehr schlechte anwaltliche Vertretung, so kam es zu diesem überzogenen Urteil.
Sein dritter Verstoß gegen die Residenzpflicht wurde jetzt in Halle verhandelt. Inzwischen hatte er seine Freundin geheiratet, hat damit einen andern Status und unterliegt nicht mehr der Residenzpflicht. Kodjo D'Almelda hatte im April 2008 seine Freundin besucht, die erkrankte und ihn bat länger als für die Dauer der gültige Verlassenserlaubnis bei ihr zu bleiben und ihr zu helfen. So blieb er und unterstützte seine Freundin und ihre drei Kinder. Eine Woche später reiste er zurück nach Sachsen-Anhalt und wurde von der Bundespolizei kontrolliert. Seine Verlassenserlaubnis war abgelaufen, da die Ausländerbehörde Saalkreis keine Möglichkeit einräumt ohne persönliche Vorsprache eine Verlassenser­laubnis zu bekommen oder zu verlängern.

Vor Gericht wird ein Mensch, der zuvor auf Bewährung verurteilt wurde, als Wiederholungstäter (meis­tens) zu einer Haftstrafe verurteilt. Kodjo D'Almeldas Anwalt legte dar, dass sein Mandant -jetzt verhei­ratet- nicht mehr gegen die Residenzpflicht verstoßen kann und aus nachvollziehbaren Gründen gegen die (vorher für ihn geltende) Residenzpflicht verstoßen hat. Das Gericht nahm von einer Haftsstrafe Abstand. Die vom Anwalt geforderte Verfassungklage gegen die Residenzpflicht wurde abgelehnt und Kodjo D'Almelda zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.
Wohlgemerkt für ein Gesetz, dass von den Nazis eingeführt wurde und gegen das Recht auf Bewegungs­freiheit verstößt. Obendrein wurde Kodjo D'Almelda für eine "Tat" ver­urteilt, die er jetzt gar nicht mehr begehen kann - und die keine "Straftat" ist, sondern sein gutes Recht.

Wir fordern ein Verbot der 10 Euro-Gebühr für eine Verlassenserlaubnis bei der Ausländerbehörde Saalkreis und die Abschaffung der Residenzpflicht.

Ausländerbehörde Saalkreis
Domplatz 9
06217 Merseburg
Tel: 03461/40-0
Fax: 03461/40-1155

17.08.08, Togo Action Plus, Residenzpflichtverhandlung gegen Togoischen Flüchtling in Halle
am 18. August um 11 Uhr, Amtsgericht, Merseburger Str.

Das deutsche Passgesetz gegen Flüchtlinge, das als Residenzpflichtgesetz bezeichnet wird, ist ein rassistisches Gesetz.

Die durch das deutsche Passgesetz auferlegte Residenzpflicht beschränkt den Aufenthalt von Flüchtlingen und Asylbewerbern auf den Landkreis, in dem sie zwangsweise untergebracht werden.

Die Wahrnehmung ihrer sozio-politischen Rechte und die Teilnahme an Aktivitäten außerhalb ihres Landkreises ohne offizielle Genehmigung der Ausländerbehörde werden durch dieses Gesetz kriminalisiert und mit Gefängnis bestraft.

Die Residenzpflicht ist dazu da, um Flüchtlinge von ihrer Selbstbestimmung, hier zu leben, abzuhalten und sie von der Welt um sie herum zu isolieren. Das Gesetzt bestraft viele Flüchtlinge, die nicht mehr wissen, was sie tun sollen. So auch im Fall des politischen Flüchtlings Kodjo D'Almelda von der Initiative TOGO ACTION PLUS:

Kodjo wurde mehrere Male Opfer der rassistischen Gesetzgebung. Er reiste mehrmals ohne Erlaubnis, weil er ansonsten für jedes Mal, wenn er um Erlaubnis für ein, zwei, drei Tage oder eine Woche fragt, 10 Euro hätte zahlen müssen. In der Region Sachsen-Anhalt (Halle-Saalekreis) muss man immer 10 Euro zahlen, andernfalls erhält man keine Erlaubnis.

Kodjo wurde insgesamt sechs Mal kontrolliert.

Das erste Mal zahlte er 65 Euro an die Ausländerbehörde, ebenso die beiden folgenden Male. Beim vierten Mal wurde er vor Gericht geladen und ihm wurde mit Gefängnis gedroht, wenn er am Tag der Verhandlung dort nicht erscheint.
Kodjo ist vor Gericht erschienen und wurde mit einer Geldstrafe von 300 Euro in Raten belangt, die zu zahlen ihm sehr schwer fällt. Beim fünften Mal war es das Gleiche. Er musste wieder akzeptieren, 300 Euro in Raten zu zahlen. Kodjo hatte einen Anwalt, der politisch wenig motiviert war.
Vor kurzem heiratete Kodjo. Er hat nun einen Anwalt, der politisch orientiert und engagiert ist.
Als Kodjo zum sechsten Mal ohne Erlaubnis reiste, wurde er kontrolliert und wurde wieder vor Gericht vorgeladen. Dieses Mal hatte der neue Anwalt gegen den entsetzlichen Brief des Gerichts protestiert. Daher hat das Amtsgericht in Halle nun einen Prozess für den 18. August 2008 um 11 Uhr in Halle, Saale anberaumt.

Wir rufen alle Leute, die eine gute Gesinnung haben, dazu auf, sich unserer Kampagne anzuschließen und unsere Forderung nach der Abschaffung des Residenzpflichtgesetzes in Deutschland zu unterstützen.

Aufgrund der Fusion der Bezirke in Sachsen-Anhalt ist die verantwortliche Ausländerbehörde für Kodjo in Merseburg. Diese ist für verwaltungstechnische Dinge zuständig. Die Adresse lautet:
Ausländerbehörde Landkreis Saalekreise
Der Landrat
Domplatz 9
06217 Merseburg
Tel: 03461 40-0
Fax: 03461 40-1155

Pressemitteilung von The Voice Refugee Forum zum Residenzpflicht-Prozess in Halle vom 17.08.08
Interview mit Kodjo D Almeldas Anwalt Volker Gerloff am 19.08.08 bei freie-radios.net

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