Am 4. März 08 waren 4 Polizisten als Zeugen geladen.
Oury Jalloh - 40. Prozesstag:
Dessauer Polizeipräsident K.-H. Willberg verhindert im Oury Jalloh-Prozess
Anzeige gegen Polizeizeugen wegen Falschaussage.
Der Polizist Schmorde arbeitet beim Zentralen Einsatzdienst/ZED im Bereich Verkehrsüberwachung, wohin auch Fr. Höpfner 2005 versetzt wurde. Fr. Höpfner ist die Polizistin, welche zusammen mit dem Hauptangeklagten Schubert im Dienstgruppenleiter (DGL) - Bereich Dienst hatte, als Oury Jalloh am 07.01.2005 verbrannte. Sie belastete in ihrer ersten Aussage den DGL Schubert schwer.
Bei der Vernehmung des Zeugen Schmorde durch den Richter Steinhoff kam es zu eklatanten Widersprüchen gegenüber seiner Aussage vom 24.10.07. Da diese bei ihm erst 5 Monate zurück liegt, konnte sich der Zeuge nicht auf die lange Zeit zwischen Aussage und Prozessvernehmung zurückziehen. Obwohl der Richter dem Zeugen verbal mit den Konsequenzen einer Falschaussage bis hin zu Haft und Verlust der Anstellung im Öffentlichen Dienst drohte, verzichtete er darauf die Aussagen des Zeugen Schmorde zu protokollieren.
Bei seiner Aussage am 24.10.07 gab der Zeuge Schmorde an, dass Fr. Höpfner mehrmals von sich aus die Ereignisse vom 07. Januar 2005 angesprochen hätte. Hierbei erinnerte er sich insbesondere an eine Nachtschicht bei der sie beide zusammen Dienst in Köthen hatten. Während dieses Dienstes wurden sie telefonisch nach Dessau in die Polizeidirektion zurückbeordert, da an diesem Abend ein Film über Oury Jalloh's Tod in der ARD ausgestrahlt wurde. Daraufhin solle Fr. Höpfner während der Fahrt nach Dessau sehr aufgeregt und weinend über die Ereignisse am 07. Januar 2005 berichtet haben. - All dies wollte der Zeuge Schmorde am 4. März nicht mehr wissen.
In sehr gereizter Atmosphäre setzte der Staatsanwalt F. Bittmann die Befragung des Zeugen Schmorde fort und drohte ihm ebenfalls mit den Konsequenzen einer Falschaussage. Anschließend wurde der Zeuge durch die Nebenklage befragt. Die Nebenklage fragte beharrlich nach und verlangte eine Protokollierung der Aussagen, um einer möglichen Falschaussage durch den Zeugen Schmorde nachgehen zu können.
Anstelle einer Anklage wegen Falschaussage und einer möglichen Vereidigung des Zeugen Schmorde unterbrach der Richter Steinhoff den Prozess. Der Zeuge solle sich seine Aussagen nochmals überlegen.
Nach einer halbstündigen Unterbrechung sollte ursprünglich die Befragung des Zeugen Schmorde fortgesetzt werden. Stattdessen begann im Gerichtssaal eine Diskussion darüber, dass der Staatsanwalt in der Pause den Polizeipräsidenten über die Aussage des Polizeizeugen Schmorde informierte. Der Polizeipräsident K-H- Willberg rief daraufhin den Richter Steinhoff an und verlangte von ihm, dass der Zeuge Schmorde einen Rechtsbeistand bekommt. Obendrein wollte der Polizeipräsident den Polizeipfarrer erreichen, damit dieser Herrn Schmorde beistehen könne.
Der Zeuge Schmorde selbst hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Rechtsbeistand gefordert, obwohl der Richter ihm von Anfang der Befragung an mit den Konsequenzen seiner Falschaussage konfrontierte - wortwörtlich "Sie gehen hier mit einer Acht heraus" und kreuzte die Unterarme wie bei einem Gefesselten. Als eine Diskussion darum begann, ob der Polizeipfarrer als Beistand für den Zeugen Schmorde hinnehmbar ist, wurde endlich auf Betreiben der Nebenklage der Zeuge aus dem Verhandlungsraum geschickt.
Die Berufung des Polizeipfarrers als Rechtsbeistand war umstritten, da der Polizeipfarrer schon mehrmals für Polizisten vor Gericht als Seelsorger beistand, die - nach eigenen Angaben - nicht religiös sind.
Es entstand so z.B. bereits am 12. Juni 2007 der Eindruck, dass versucht wird, das geschützte Recht auf seelsorgerischen Beistand zu gebrauchen, um Polizisten als Zeugen bei ihren Aussagen zu beeinflussen.
Während der hitzigen Diskussion kam ein Gerichtsdiener in den Saal und informierte darüber, dass der Polizeipfarrer nicht zu erreichen sei, und der Polizeipräsident nun versuche den Polizeiarzt zu erreichen.
Diese Diskussion zwischen Nebenklage und Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidigung fand im Beisein der Zuschauer, wie des Justitiars der Polizeidirektion Dessau, einer Polizistin im gehobenen Dienst (zuständig u.a. für Anmeldungen von Demonstrationen) und mehreren Staatsschützern, statt.
Rückblick: Die Staatsanwaltschaft hatte Ende Mai 2007 die damalige Polizeipräsidentin von Dessau informiert, dass Polizisten im Prozess Falschaussagen machen würden. Die damalige Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt wies daraufhin angeblich den zuständigen Justiziar an, mit den Polizeizeugen über die Notwendigkeit einer wahrheitsgetreue Aussage zu sprechen. Der Justitiar, der bei allen Prozessterminen anwesend ist, lud am 8. Juni 2007 alle Polizisten, von denen Ende Mai bekannten war, dass sie als Zeugen aussagen sollen, zu einer "Informationsveranstaltung" ein. Angeblich wurde bei der "Informationsveranstaltung" den Polizisten eingeschärft, als Zeugen die Wahrheit zu sagen. Zum Inhalt dieses Treffens wurden bisher alle beteiligten Polizisten vor Gericht vernommen. Es wurde beharrlich zum Inhalt des Treffens geschwiegen. Der Richter nahm diese Aussageverweigerung hin.
Zur zeitlichen Überbrückung wurde der zweite Polizist als Zeuge Hr. Schmartolla vorgezogen. Die Aussagen der beiden weiteren vorgesehenen Polizisten wurden auf einen späteren Prozesstermin verschoben.
Der 2. Zeuge Hr. Schmartolla, der ebenfalls beim Zentralen Einsatzdienst/ZED im Bereich Verkehrsüberwachung arbeitet, hat laut Aussage von Hr. Schmorde ein enges Dienstverhältnis zu Fr. Höpfner.
Dieser Zeuge konnte sich nicht erinnern, ob Frau Höpfner über den 7. Januar 2005 mit ihm gesprochen hatte. Hr. Schmartolla erinnerte sich detailliert an Gespräche über den Garten, die Hunde und die etwa gleichalten Töchter. Bei Themen, die ihn nicht interessierten oder über die er nicht sprechen wollte, habe er weggehört. Nach der Entlassung des Zeugen stellte die Nebenklage Strafanzeige gegen den Zeugen.
Bevor der erste Zeuge Hr. Schmorde zur zweiten Vernehmung herein gerufen wurde, wollten die anderen Prozessbeteiligten vom Richter wissen, was auf den Zetteln stand, die ihm während der Befragung des 2. Zeugen gereicht wurden. Auf dem ersten soll gestanden haben: Der Polizeipfarrer ist da und unterhält sich mit dem Zeugen Schmorde. Dies habe dann der Richter untersagt. Der zweite Zettel informierte darüber, dass Frau Höpfner gekommen sei, weshalb blieb unklar, da sie nicht als Zeugin für den 4. März geladen war. Der Richter meinte, sie könne "dann ja auch noch gleich vernommen werden, wenn sie schon mal da ist". Die Vernehmung des Zeugen Schmorde begann wobei seine Aussagen protokolliert wurden. Er sagte dasselbe wie zuvor. Ihm wurde nochmals verdeutlicht, welche Konsequenzen seine Aussage für ihn habe (siehe oben). Als der Richter ihn vereidigen wollte, was eine Haftstrafe wegen Meineid ermöglicht hätte, griff die Verteidigung der Angeklagten ein. Im Widerspruch zu den rechlichen Regelungen behauptete die Verteidigung der Angeklagten Polizisten, dass eine Vereidigung nicht ohne Rechtsbeistand möglich wäre. Daraufhin verlangte der Zeuge Schmorde einen Rechtsbeistand, woraufhin dessen Aussagen endete. Nach der Vernehmung wurde Hr. Schmorde vom Polizeipfarrer umsorgt.
Anschließend wurde die Zufallszeugin Fr. Höpfner befragt. Ihre Aussagen waren noch spärlicher, als die der beiden vorangegangenen Zeugen. Sie konnte sich das "Thema 07.01.05" in Gesprächen nur so erklären, dass sie gerade einen enormen Leidensdruck hatte und nicht anders konnte, sonst hätte sie nie über das "Thema" gesprochen. Sie brachte vor allem die Empörung über die Versetzung zum Ausdruck und dass sie deshalb viel Wut und Enttäuschung verspüre, sie habe ja ihren Dienst richtig versehen und getan was sie konnte. Der Tod von Oury Jalloh kam in ihrer Aussage mit keinem Wort vor.
Polizisten können als Zeugen die Aussagen verweigern und Falschaussagen machen, ohne vor dem Landgericht Dessau Konsequenzen befürchten zu müssen. Dabei werden die Polizisten vom Polizeipräsidenten unterstützt. Sie erhalten ungefragt und ohne konfessionelle Bindung polizeiliche Seelsorge. Welche Rolle der Justitiar der Polizeidirektion Dessau dabei spielt ist "unklar". Die Staatsanwaltschaft scheint eher ein Interesse daran zu haben, dass kein Polizeizeuge sich selbst belastet, als das Verbrechen aufzuklären.
Hierbei kooperiert die Staatsanwaltschaft eng mit dem Polizeipräsidenten.
Die Gewaltenteilung scheint bei diesem Prozess nicht zu existieren.Ohne Nebenkläger, kritische Öffentlichkeit und öffentlichen Druck würde der Prozess keinen Sinn machen.
07.03.08, einige ProzessbeobachterInnen/ no lager halle