Betrifft: John Williams

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezugnehmend auf das Telefonat vom 30.06.2004 möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über das hier für Herrn Williams geführte Mandat geben:

Ich habe das Mandat am 11.04.2002 übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Williams in der BRD ein Asylverfahren bereits abgeschlossen, welches negativ geendet war. Er hatte vom Landkreis Anhalt- Zerbst unter dem 19.03.2002 einen Bescheid darüber erhakten, daß er seinen Wohnsitz in der der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerberhabe angegliederten Gemeinschaftsunterkunft (GU- ZAST) Halberstadt zu nehmen habe. Bis dahin wohnte Herr Williams unter der Adresse Mozartweg 14 in Coswig. Die Unterbringung in solchen Gemeinschaftsunter-künften wird unter Verweis auf § 56 Abs. 3 S. 2 AuslG als zulässig angesehen. Begründet wurde die Unterbringung damit, daß Herr Williams seinen Mitwirkungspflichten bezüglich der Beschaffung eines Paßersatzpapieres nicht nachkomme. Dies hatte den Hintergrund, daß Herr Williams behauptete, aus dem Sudan zu stammen. Im Rahmen einer Vorführung bei der sudanesischen Botschaft hatte diese sich jedoch geweigert, für Herrn Williams ein Paßersatzpapier auszustellen, da Herr Williams nicht aus dem Sudan stammen würde. Herr Williams blieb jedoch bei der Behauptung, aus dem Sudan zu stammen. Die Behörde führte insoweit aus: "Vor diesem Hintergrund ergibt sich nunmehr die Notwendigkeit intensiver zielgerichteter behördlicher Maßnahmen zur Beschaffung des für Ihre Ausreise erforderlichen Heimdokuments. Dafür bietet die landeseigene Einrichtung der GU- ZAST die notwendigen Voraussetzungen. Dies erfordert Ihre Verpflichtung, in der dortigen Unterkunft Wohnung zu nehmen, um für die künftigen Maßnahmen jederzeit zur Verfügung zu stehen zur Verfügung zu stehen. Zur Verwirklichung dieses aufent-haltsrechtlichen Zwecks dient auch die auf den Bezirk der Ausländerbehörde Halberstadt bezogene räumliche Beschränkung der Duldung. Sie soll als flankierende Regelung die Durchsetzung und Beschleunigung der vorgesehenen Maßnahmen gewährleisten. Sie ist nicht unverhältnismäßig, da sie sich als geeignetes Instrumentarium erkennbar gegen Ihr mißbräuchliches Verhalten richtet. ... Denn die in der GU- ZAST durchzuführenden Maßnahmen zur Paßbeschaffung, die keinen weiteren Aufschub dulden, bedingen insbesondere den Einsatz entsprechender persönlicher und sächlicher Mittel, die nur vor Ort in quantitativer und qualitativer Ausgestaltung vorhanden sind."

Es kann somit festgestellt werden:

Das Aufrechterhalten seiner sudanesischen Nationalität wurde als missbräuchlich eingestuft. Durch die Unterbringung in Verbindung mit persönlichen und sächlichen Mitteln sollte Herr Williams dazu gebracht werden, seine "wahre" Identität preiszugeben. Seine Duldung wurde beschränkt auf den Bezirk der Ausländerbehörde Halberstadt. Herr Williams durfte sich somit nur noch in diesem Bereich bewegen. Verschärft wurde die Situation noch dadurch, daß Herr Williams keine Arbeitserlaubnis mehr erhielt, nicht einmal Taschengeld. Er erhielt vielmehr nur seine Unterkunft sowie Essensgutscheine für Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Damit wurde letztlich der Aufenthalt auf das Unterkunftsgelände beschränkt. Verstärkt wurde dies dadurch, daß die Duldung von Herrn Williams nur noch wöchentlich, teileweise nur für einen Tag verlängert wurde. Vorweg darf schon darauf hingewiesen werden, daß dies im Sommer 2003 noch dadurch verstärkt wurde, daß Herrn Williams die Duldung abgenommen wurde, er bei einer Polizeikontrolle außerhalb des Unterkunftsgeländes mit einer sofortigen Festnahme hätte rechnen müssen. Gegen den Bescheid habe ich Widerspruch eingelegt mit der Begründung, daß es keinen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht darstellt, wenn mein Mandant bei seiner Identität bleibt, darüber hinaus nicht erkennbar ist, wie die Identität meines Mandanten in der Unterkunft ermittelt werden soll. Als Reaktion darauf kam eine Ladung für Herrn Williams zu einem Sprachtest, der jedoch auch nicht zu einer anderen Nationalität von Herrn Williams führte. Das nehme ich jedenfalls an, da mir das Ergebnis zwar nicht mitgeteilt wurde, Herr Wiliams bis zu seinem Tod jedoch auch nicht abgeschoben wurde.

Zwischenzeitlich war ein Urteil des OVG Rheinland- Pfalz veröffentlicht worden, wonach eine Unterbringung in einer solchen Gemeinschaftsunterkunft nur dann zulässig ist, wenn eine realistische Chance auf Beschaffung von Rückreisedo-kumenten bestehe. Zugleich wurde herausgestellt, daß die Beugung des Willens durch psychologische Maßnahmen rechtsstaatlich nicht vertretbar ist. Dieses Urteil führte ich mit in das Widerspruchsverfahren ein. Fast erwartungsgemäß wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2002 zurückgewiesen. Herr Williams befand sich nun schon geraume Zeit in der Unterkunft, ohne daß eine andere Identität ermittelt worden wäre. Der Widerspruchsbescheid wurde mit derselben Argumentationsweise begründet wie der Ursprungs-bescheid. Gegen diesen Bescheid erhob ich Klage vor dem Verwaltungsgericht Dessau. Diese wurde mit Urteil vom 29.10.2002 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Unterbringung in einer solchen Gemeinschaftsunterkunft rechtmäßig sei. Durch eine solche Unterbringung solle das Verfahren zur Feststellung der Identität und Staatsan-gehörigkeit der bei der Beschaffung von Heimreisepapieren nicht mitwirkenden Ausländer verbessert werden. Hinzu komme, daß die Betroffenen durch das vorhandene Betreuungsoersonal der ZAST gründlicher und kontinuierlicher betreut werden könnten als bei einer zentralen Unterbringung in kommunalen Unterkünften. Zudem führe die Beschleunigung zu finanzieller Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte. Schließlich führe die Unterbringung zur Vermeidung von Abschiebehaft.

Gerade das letzte Argument erscheint gar nicht zu greifen, da Herr Williams keinerlei Veranlassung gegeben hatte, ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Seine Einreise in die BRD galt aufgrund des geführten Asylverfahrens bis zu dessen Abschluß rückwirkend als legal. Auch hat Herr Williams keine Unternehmungen unternommen, unterzutauchen. Vielmehr hat er sowohl an der Botschaftsvorführung bei der sudanesischen wie auch der nigerianischen Botschaft teilgenommen.
Zum Zeitpunkt der Urteilsfällung befand sich Herr Wiliams zudem bereits nahezu 10 Monate in der Gemeinschafts-einrichtung. Wo da noch von Beschleunigung die Rede sein sollte, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Gegen dieses Urteil wurde von mir Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Herr Williams, aufgrund seiner Unter-bringung völlig mittellos, erhielt eine Gerichtskostenrechnung über 331,25 EURO von der Landeszentralkasse Dessau. Anfang Januar 2003 schickte mir Herr Williams das in der Anlage beigefügte Schreiben des Landkreises Anhalt- Zerbst, mit welchem der Vorstellung des Herrn Williams bei einem Facharzt nicht zugestimt wurde, da ein Anfallsleiden nicht feststellbar sei und in seiner Vorgeschichte ein solche Leiden nicht bekannt sei. Leider hat mir Herr Williams nie mitgeteilt, welche Symptome sich bei ihm zeigten. Aus den handschrift-lichen Bemerkungen, die wohl vom Arzt der Einrichtung stammen, ergab sich auch nur, daß er Probleme mit seinem linken Bein bei Belastung angegeben hatte. Ich nahm das Schreiben somit nur zum Anlaß, es mit in das Berufungsverfahren einzuführen, um zu verdeutlichen, wie "gut" die Betreuung in der Unterkunft ist.
Mit der Landeszentralkasse konnte ich wegen der Gerichtskosten eine Stundungsvereinbarung erziehlen. Gegen Herrn Williams wurde ein Strafverfahren eingeleitet, weil er als Nationalitärt Sudan angegeben hatte und somit eine mittelbare Falschbeurkundung begangen habe. Es erging gegen ihn ein Strafbefehl über 40 Tagessätze a 5,00 EURO. Herr Williams hat diese Strafe durch gemeinützige Arbeit im Zeitraum 20.08.- 14.10.2003 bei dem "Plansch" e. V. in Halberstadt abgeleistet. Im April 2003 fand nochmals eine Botschaftsvorführung bei der nigerianischen Botschaft statt, und zwar erneut erfolglos. Das letzte Schreiben von Herrn Williams erhielt ich im November 2003. Er schickte mir die Bestätigung, daß sich die Geldstrafe nunmehr erledigt hatte und klagte darüber, daß man ihm immer noch keine neue Duldung ausgestellt hatte. Im März 2003 hatte das VG Trier erneut entsprechend dem Urteil des OVG Rheinland- Pfalz entschieden, daß eine Unterbringung in einer solchen Gemeinschafts-unterkunft sich nicht als Schikane oder strafähnliche Maßnahme darstellen dürfe und erst recht nicht auf eine unzulässige Beugung des Willens hinauslaufen dürfe. Auch dieses Urteil führte ich in das Berufungsverfahren ein.
Ich habe Herrn Williams unter dem 15.03.2004 angeschrieben. Das Schreiben kam zurück mit dem Vermerk "Privatpost". Ich beauftragte meine Sekretärin, in der Unterkunft anzurufen, um in Erfahrung zu bringen, ob Herr Williams nicht mehr in der Unterkunft untergebracht sei. Dies muß um den 24./25.03 2004 gewesen sein. Eine konkrete Auskunft wurde verweigert. Es solle in ein paar Wochen nochmals nachgefragt werden, und zwar schriftlich unter Vorlage einer Vollmacht. Dies, obwohl meine Bevollmächtigung seit April 2002 dort bekannt sein mußte wegen des eingeleiteten Widersprucsverfahrens. Da der Inhalt meines Schreibens nicht sonderlich wichtig für Herrn Williams war, dieser sich auch stets schriftlich bei mir gemeldet hatte, wenn etwas nach seiner Auffassung nicht in Ordnung war, wurde die Akte zunächst wieder weggelegt. Erst durch die Kontaktaufnahme seitens Frau Unkmeir vom Verein Machtlos im Juni 2004 wurde ich wieder auf die Akte aufmerksam. Frau Unmeir teilte nämlich mit, daß Herr Williams verschwunden sei und Mitbewohner sich größte Sorgen um ihn machten. Herr Williams sei sogar ein Mal in komatösem Zustand in ein Krankenhaus gebracht worden. Ich nahm dies zum Anlaß, bei der zuständigen Ausländerbehörde nach dem Aufenthalt von Herrn Wiliams nachzufragen, was mit Schreiben vom 21.06.2004 dahingehend beantwortet wurde, daß Herr Williams am 04.04.2004 verstorben sei. Eine Anfrage bei dem OVG Magdeburg nach dem Verfahrensstand des Berufungsverfahrens wurde mit Beschluß vom 11.06.2004 dahingehend beantwortet, daß der Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen wurde. Begründet wurde dies damit, daß das VG Dessau nicht von den Rechtssätzen des OVG Rheinland- Pfalz abgewichen sei, sondern diese schlicht unberücksichtigt gelassen habe, was jedoch kein Berufungsgrund sei. Damit endet für mich zunächst die Angelegenheit John Wiliams. Frau Unkmeir teilte mir noch mit E- Mail vom heutigen Tag mit, daß sie noch weiter ermittelt. Die Ermittlungen scheeterten jedoch weitgehend daran, daß sich insbesondere die Behörden auf ihre Schweigepflicht zurückziehen. Sie brachte aber in Erfahrung, daß Herr Williams im Pflegeheim Kloster Meynsdorf bei Magdeburg verstorben ist. Das zuständige Bestattungsunternehmen teilte ihr mit, das Ordnungsamt des Bördekreises habe versucht, mich über den Tod von Herrn Williams zu informieren. Leider sind dies für mich brandneue Informationen.

Mit freundlicher Empfehlung

Rechtsanwalt

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